Sehr geehrte Damen und Herren der SPAR-Geschäftsführung,
die medial ausgetragene Aufregung über Ihre Entscheidung, Fleischprodukte für die muslimische Zielgruppe wieder auszulisten, hat sich inzwischen gelegt. Es lohnt sich aber, einigen prinzipiellen Fragestellungen nachzugehen, die auch in Zukunft von Bedeutung sind.
Lebensmittelketten sind keine NGOs mit Menschenrechtsagenda, sondern werden sehr pragmatisch wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund stellen. Gleichzeitig ist erfreulich, wie es immer wieder gelingt, dass auch von dieser Seite positive Impulse in die Gesellschaft für ein sozial gerechtes und friedliches Zusammenleben gesetzt werden. Es versteht sich von selbst, dass hierbei keine Parteipolitik betrieben wird.
Es bleibt aber ein Faktum, dass Lebensmittelketten nicht nur rein wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich Verantwortung tragen. Das beginnt bereits bei der Möglichkeit als einer der größten Arbeitgeber die Vielfalt der Gesellschaft abzubilden und so für Chancengleichheit einzutreten. Vielfalt ist eine Realität, der zunehmend Rechnung getragen werden muss. Ihr ursprünglicher Gedanke, die rund 600.000 Musliminnen und Muslime als Konsumenten sichtbar wahrzunehmen, ist daher sehr zu begrüßen. Gerade in Zeiten eines ums sich greifenden „Generalverdachts“ braucht es solcher Zeichen, dass Islamisches längst zum Alltagsleben in Österreich gehört und alles andere als potentiell „verdächtig“ ist.
Umso bedauerlicher ist es, dass sich unverhohlene Rassisten und Islamhasser bei Ihnen als „Tierschützer“ und „Tierfreunde“ meldeten und nichts unversucht ließen dieses normale und selbstverständliche Handeln als „großen Skandal“ hoch zu stilisieren.
Mit großem Bedauern nehmen wir Ihre Entscheidung zur Kenntnis, diesem Druck nachzugeben. Es wäre sehr traurig, wenn Hass, Neid, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit zu Faktoren bei wirtschaftlichen Entscheidungen zählten. Ohne hier einen direkten Vergleich anstellen zu wollen, sei an die Verbote von geschächtetem Fleisch durch die Nazis erinnert. Das Motto „Nie wieder!“, wenn es um die krassen Menschenrechtsverletzungen dieses dunklen Kapitels unserer Geschichte geht, sollte auch in diesem Zusammenhang einen fixen Platz bekommen.
Seit dem bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz von 2004 gibt es für Juden und Muslime eine inzwischen bewährte Regelung, was das Schächten betrifft. Damals wurde das „post cut stunning“, also eine Betäubung, die unmittelbar nach dem Schächtstreich im Schlachthaus erfolgt, festgeschrieben. Die Islamische Glaubensgemeinschaft zertifiziert professionelles Personal und verleiht unter den gesetzlichen Bestimmungen produziertem Fleisch ein halal-Siegel. Im Laufe der damaligen Debatte war es den Religionsgemeinschaften wichtig herauszuarbeiten, dass ihre Schlachtung mit dem Tierschutzgedanken vereinbar ist.
Daher appellieren wir an Sie, wie auch an den Lebensmittelhandel insgesamt, aus dem Markt mit „Ethnofood“ nicht länger halal-Fleischerzeugnisse auszuklammern. Bei einem neuerlichen Vorstoß in diese Richtung böte es sich an, die geschilderten österreichischen halal Standards zu berücksichtigen.
Mit der Bitte um ein Überdenken Ihrer Entscheidung wünschen wir Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besinnliche Weihnachten und einen schönen und erfolgreichen Jahresausklang und ein gutes Neues Jahr 2016 für sozialen Zusammenhalt und gesellschaftliche Harmonie
Beste Grüße,
Tarafa Baghajati,
Obmann der IMÖ; Initiative muslimischer Österreicher-innen