OMAR AL-RAWI hält das Militär in der Türkei für zu mächtig
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DEBATTE: OMAR AL-RAWI hält das Militär in der Türkei für zu mächtig
In Europa wäre das ein Skandal
Viele Türken wünschen sich den EU-Beitritt, um die Hegemonie des Militärs zu durchbrechen
Die „Wiener Imame-Konferenz“ hat sich zur säkularen Ordnung Österreichs bekannt, zur Trennung von Kirche und Staat. „Trennung“ bedeutet, dass sich beide – Politik und Glaubensgemeinschaften – nicht in die Anliegen des jeweils anderen einmischen dürfen. Österreich ist ein Rechtsstaat, der all seine Bürger unabhängig von ihrer ethnischen, religiösen oder weltanschaulichen Zugehörigkeit gleich behandelt und ihnen neutral gegenübersteht.
Eine andere Form erleben wir gerade in der Türkei, wo ein Verständnis von fundamentalem Laizismus herrscht, der nicht mehr neutral, sondern vielmehr feindlich gegenüber Religion eingestellt ist. Auch dass religiöse Institutionen nicht autonom sind, sondern vom Staat kontrolliert werden – worunter auch die christliche Minderheit leidet –, widerspricht einer säkularen Ordnung. Dass eine Demokratie und die legitimen Vertreter des Volkes unter dem Damoklesschwert der Armee stehen, ist auch inakzeptabel.
Wieso ein bekannter Politiker, der immerhin schon Regierungschef war und die letzten vier Jahre als Außenminister seines Landes die EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei maßgeblich mitgestaltete, dass so ein Mann, der als integer, weltgewandt, gemäßigt und fähig beschrieben wurde, plötzlich für sein Land nicht tragbar sei und die laizistische Ordnung gefährde, ist nicht nachvollziehbar. Die Begründung, dass er einer religiös konservativen Partei angehöre, praktizierender Muslim sei und seine Frau eine Kopftuch trage, mache ihn unwählbar, ist geradezu lächerlich und nicht hinnehmbar. Würde so eine Begründung in Europa jemanden seiner politischen Rechte berauben und die Armee mit Putsch drohen, wäre es ein unfassbarer Skandal. Die Armee ist eine Institution, die den demokratischen Institutionen untersteht und hat auf keinen Fall das Recht wie auch die Kirchen nicht das Recht haben, sich in die Politik einzumischen.
Das türkische Militär zwang schon 1997 Ministerpräsident Necmedin Erbakan zum Rücktritt und verbot seine und die nachfolgende Partei. In der nächsten Legislaturperiode wurde die Hürde für den Einzug ins Parlament auf 10 Prozent gesetzt, um keiner Islamischen Partei die Möglichkeit zu geben, eine Rolle zu spielen. Das Ergebnis war, dass alle im Parlament vertretenen Parteien bei der Wahl diese Hürde nicht schafften und Erdogan mit 35 Prozent der Stimmen zwei Drittel der Mandate erhielt.
Viele Türken wünschen sich sehnlichst den EU Beitritt, um auch unter anderem die Hegemonie des Militärs zu durchbrechen. Solange das aber nicht gelingt, wird die Türkei kaum eine Chance zum Beitritt haben und mit solch einem Demokratieverständnis ist sie auch wohl nicht willkommen. Wir sollten ihr aber nicht all zu schnell die Tür ins Gesicht schlagen und ihr die Chance rauben, sich von dieser Militärdominanz zu befreien.
Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi
ist Mitbegründer der Initiative muslimische ÖsterreicherInnen