2007: Das Jahr der Chancen(un)gleichheit
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In Österreich wird das Jahr 2007 gewiss nicht als Antidiskriminierungsjahr in die Geschichte eingehen. Wenn die Politik nicht handelt, wird sogar das Gegenteil eintreten.
Die Chancenungleichheit hat sich in diesem Jahr in zwei wesentlichen Aspekten manifestiert. Zuerst mit dem Fremdenrecht, das von Stunde null an alles andere als menschenwürdig und verfassungstreu war. Es hat kaum jemand gefehlt, der nicht seinen Zweifel an dem von Schwarz-Blau-Orange gebastelten Werk geäußert hätte.
Auch die SPÖ agiert hier scheinheilig, zuerst beschließt sie das Fremdenrecht als Opposition mit und dann schreibt sie im Regierungsprogramm eine Evaluierung mit der ÖVP erst 2009 vor. Erst angesichts der Dramatik des Falles Arigona entdecken viele SPÖ- und wenige ÖVP-Politiker die menschenverachtende Seite an diesem Fremdenrecht und verlangen das von ihnen praktisch per Gesetz fast ausgeschlossene Bleiberecht für integrierte Familien.
Man kann der jungen Arigona, so tragisch es klingt, nur dankbar sein, dass sie uns allen diese schreiende Ungerechtigkeit vor Augen führt – kräftig unterstützt von den Medien. Denn die mit der Thematik befassten NGOs könnten viele derartige Fälle benennen, die aber ein weniger gut präsentierbares "Gesicht" haben.
Eine Evaluierung des Fremdenrechtes muss angesichts dieser unhaltbaren Zustände sofort unter Einbindung von Menschenrechtsorganisationen und Experten erfolgen.
Der zweite Aspekt der Chancenungleichheit zeigt sich darin, wie Islam-Feindlichkeit immer salonfähiger wird, eine Art religiöse Diskriminierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe um sich greift – während die Muslime selbst immer wieder ohne Wenn und Aber ihre Loyalität gegenüber dem Staat betonen. "Daham statt Islam" der Strache-FPÖ, Versuche, muslimische Sakralbauten einfach zu verbieten des Haider-BZÖ, Begehren eines Kopftuchverbots beider Parteien – propagiert also von "Vater und Ziehsohn".
Im Jahr für Chancengleichheit, in dem eigentlich für die neuen Antidiskriminierungsgesetze Bewusstsein geschaffen werden soll, wirkt dies wie ein Hohn. Die Stimmung verschlechtert sich. Physische Angriffe auf muslimisch gekleidete Frauen werden gegenüber früher, als "nur" Pöbeleien und Alltagsrassismus zu verzeichnen waren, jetzt häufiger gemeldet. Auch Telefonterror inklusive Morddrohungen gegen muslimische, in der Öffentlichkeit agierende Personen und ihre Kinder und Familien tritt in einer bisher unbekannten Form auf.
Freilich soll dies kein "Jammerprotokoll" sein. Es sind realistische Chancen vorhanden, um sogar noch in diesem Jahr ein Zeichen für Chancengleichheit zu setzen. Eine notwendige Voraussetzung dafür ist freilich der politische Wille.
Tarafa Baghajati ist Vizepräsident des European Network against Racism sowie Mitgründer der Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen.
Montag, 22. Oktober 2007