"Wien könnte Schlüsselrolle spielen"
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Angesichts der wachsenden Gewalt fordert der prominente Austro-Syrer Tarafa Bagahjati Solidarität - auch von Österreich.
Foto: Austro-Syrer Tarafa Baghajati.
Verwackelte Aufnahmen von einem Soldaten, der einem auf der Straße liegenden Verletzten in den Kopf schießt - Bilder wie diese bezeugen, wie sehr die Gewalt in Syrien derzeit explodiert. Nach sechs Monaten Aufstand und mehr als 2000 Toten gibt es für Syrien keinen Weg zurück mehr, glaubt der gebürtige Syrer Tarafa Baghajati. Ohne Druck und Hilfe von außen droht die Situation vollends zu eskalieren.
KURIER: Militärisches Eingreifen von außen wie in Libyen will in Syrien niemand - nicht einmal die Demonstrierenden. Wie könnte den Syrern also geholfen werden?
Tarafa Baghajati: Europa und die Welt versäumen eine klare Solidaritätshaltung - im Sinne einer physischen Präsenz vor Ort. Etwa als der prominente Karikaturist Ali Ferzat, ein enger Freund meiner Familie, entführt und zusammengeschlagen wurde. Man hat seine beiden Hände verletzt. Diplomaten hätten ihn einfach besuchen müssen. Sie hätten nichts tun müssen, außer Präsenz zu zeigen. Kein Diplomat, der sich in Damaskus bewegt, ist in Gefahr. Auch Österreich, mit seinen historisch guten diplomatischen Beziehungen zu Syrien, könnte auf diese Weise viel mehr Initiative zeigen. Es könnte eine Schlüsselrolle spielen, aber im Wiener Außenministerium wird man immer nur mit Brüssel und der "gemeinsamen Außenpolitik der EU" vertröstet. Aber wo sind die Führungsinitiativen der EU?
Ein Öl-Embargo gegen Syrien ist geplant - immerhin gehen 95 Prozent der Öl-Exporte Syriens in die EU.
Das ist wichtig, denn die Einnahmen aus dem Ölverkauf fließen nicht ins Budget, sondern direkt an den Geheimdienst. Die Sanktionen werden also schmerzen. Aber wir brauchen auch eine glaubwürdige politische Stimme dabei, die Übergangsphase zu planen. In Syrien wird nichts mehr bleiben wie es früher war.
Wer soll planen, wie ein neues Syrien aussehen soll? Die Opposition im Ausland, die Demonstranten?
Mehrere Oppositionsgruppen haben sich außerhalb Syriens getroffen, aber all diese Gruppen sind nicht mit den Revolutionären im Land verankert. Es gibt keine Koordination zwischen ihnen. Einig sind sich alle aber in einem: Gewaltverzicht. Es darf keine militärische Intervention von außen geben, oder durch eine Militäraktion von innen ein Bürgerkrieg riskiert werden. Das Militär spielt eine Schlüsselrolle und viele wünschen sich, dass die Soldaten sich einfach weigern, auf die eigenen Leute zu schießen. Aber die Bedingungen für einen Systemwechsel in Richtung Demokratie und Freiheit müssen jetzt geschaffen werden. Wir müssen jetzt Parteien gründen und uns auf die Grundsätze einigen, die später für alle Religionsgruppen, Ethnien und Minderheiten im Land gelten sollen.
Gibt es Oppositionelle, die mit dem Regime verhandeln?
Das ist schwierig, denn jeder, der jetzt mit dem Regime ins Gespräch tritt, wird von den anderen sofort als Kollaborateur angesehen. Man sieht, wie schwer ein Übergang von der Diktatur in eine neue Ordnung ist, allein schon in Ägypten. Aber in Syrien, wegen seiner ethnischen, geografischen und demografischen Konstellation, ist es noch viel schwieriger.
Wird Diktator Assad aufgeben oder ins Exil gehen?
Ich glaube nicht, dass Bashar Assad die Koffer packen wird. Leider handelt das Regime noch immer so, als ob das Land sein Eigentum wäre. Ich bin aber überzeugt, dass Syrien auch diese Krise überwinden wird.
Zur Person: Tarafa Baghajati
Der heute in Österreich als Obmann der Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen agierende Tarafa Baghajati, 49, wurde in Damaskus geboren. Nach mehrmonatiger Haft in den Folterkellern des früheren Diktators Hafez el-Assad verließ der Ingenieur Baghajati mit 25 Jahren das Land.
Seine Frau Amina Baghajati ist Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Das Paar hat vier Kinder.