Die verordnete Tauglichkeit der Muslime (KOMMENTAR DER ANDEREN)

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KOMMENTAR DER ANDERENTARAFA BAGHAJATI6. August 2015, 17:00516

Was soll der von Außenminister Sebastian Kurz wiederholt formulierte Islam europäischer Prägung eigentlich sein? Es steckt ein Stück Anmaßung darin, den Muslimen Werte vermitteln zu wollen. Das Verhältnis des Islam zum Staat ist längst geklärt

Bundesminister Sebastian Kurz wird nicht müde, zu betonen, dass es sein Ziel sei, einen Islam europäischer Prägung zu schaffen. Zuletzt sprach er in einem Interview mit dem Standard von einem Islam im Einklang "mit unseren Werten und Gesetzen". Mit dieser Aussage suggeriert Kurz, dass dieser Islam aktuell erst zu kreieren wäre, und gibt indirekt zu verstehen, dass die Weltreligion Islam an sich nicht kompatibel mit Europa sei.

Zum einen bedient er hier einen Diskurs, der von einem Gegensatz zwischen Islam und Europa ausgeht. Das Gemeinsame und Verbindende gerade im Bereich von Werten und Ethik tritt dahinter zurück.

Viel naheliegender wäre es, das Selbstverständnis des Islam zu betonen, wo es ganz natürlich ist, dass sich angesichts geänderter Rahmenbedingungen auch Fragestellungen und Prioritäten bezüglich der Faktoren Mensch, Ort und Zeit durchaus ändern können. Innermuslimisch ist seit Jahren ein Prozess zu beobachten, die Identität als muslimisch und europäisch zu reflektieren.

Klare Aussagen

Kurz wird empfohlen, die Schlusserklärungen der Imamekonferenzen anzuschauen, die von seinen ÖVP-Parteifreunden und Vorgängern als Außenminister Benita Ferrero Waldner, Ursula Plassnik und Michael Spindelegger nicht nur unterstützt und gefeiert wurden, sondern auch nach außen als das "österreichische Modell" im Umgang mit dem Islam stolz präsentiert wurden.

Der Altbundeskanzler Wolfgang Schüssel sprach immer wieder von einem "Exportartikel Islam in Österreich". Die von Kurz geforderten Standortbestimmungen des Islam in Europa wurden 2003, 2006 und 2010 nicht nur von der Islamischen Glaubensgemeinschaft IGGiÖ, sondern unter Einbeziehung von Imamen aus ganz Europa mit klaren Aussagen zur Wertedebatte, zur demokratischen Rechtsstaatlichkeit, zu Extremismus, Gewalt, Menschenrechten, Solidarität, Wirtschaft und Umwelt vorgelegt.

So zu tun, als müsse das Rad neu erfunden werden, ist unfair und für den innermuslimischen Diskurs kontraproduktiv. Wenn mit Islam europäischer Prägung gemeint ist, dass die hiesigen Muslime die Gesetze beachten, Sitten respektieren, sich als Teil dieser Gesellschaft sehen und für all dies auch einen Beitrag leisten, dann hat kein Muslim und keine Muslimin ein Problem mit dieser Aussage.

Im Zusammenhang mit dem Islamgesetz werden solche Selbstverständlichkeiten leider zu einem politisch verordneten Programm, das Muslime erst europatauglich machen soll. Das schafft Frust bei Muslimen, die beobachten, wie mit Ressentiments gegen sie Politik gemacht wird.

Das betrifft auch die Aussage, das Islamgesetz dränge den Einfluss aus dem Ausland zurück. Wenn wir über Extremismus und konkret über junge Muslime aus Europa reden, die von dubiosen Stellen nach Syrien in Richtung Terrorbande IS rekrutiert werden, dann ist es völlig verkehrt, dieses Phänomen mit den Imamen aus der Türkei in circa 70 Moscheen in Österreich zu vermischen, zumal diese Imame nachweislich eine gemäßigte und völlig unpolitische Lehre verbreiten. Von dieser Seite hat absolut niemand sich nach Syrien rekrutieren lassen.

Ärger vieler Muslime

Genau diese laufende Vermischung ärgert viele Muslime, die Sebastian Kurz eigentlich für einen sympathischen jungen Minister halten, der im Vergleich zu manchen anderen sich zu sagen traut: "Ja, der Islam gehört zu Österreich!", es aber gleichzeitig nicht lassen kann, medial von oben herab über sie zu sprechen, als sei er ihr Reformator.

Leider hat die Politik, beide Koalitionsparteien gleichermaßen, durch eine Husch-pfusch-Aktion das Islamgesetz durchgepeitscht, wohl wissend, dass die absolute Mehrheit der Muslime damit unglücklich ist. Die erste Klage beim Verfassungsgerichtshof wurde bereits vom türkischen Verband Atib bereits eingebracht, mindestens zwei weitere Klagen werden dem Vernehmen nach wohl in Bälde eingereicht.

Muslime werden in diesem schönen Land geprägt, so wie alle, die sich hier zu Hause fühlen. Sie prägen aber auch in vielen Bereichen das Leben hier und tragen ihren Teil für einen besseren sozialen Zusammenhalt bei. Gleichzeitig müssen wir festhalten, dass die Definition des Verhältnisses des Staates zum Islam längst geklärt wurde und keine wie immer neue Prägung braucht. Ein Stück gegenseitiges Vertrauen scheint hier verlorengegangen zu sein, und genau hier liegt die Herausforderung für die nächste Zeit, und zwar für alle, Muslime wie Nichtmuslime. (Tarafa Baghajati, 6.8.2015)

Tarafa Baghajati ist gebürtiger Syrer und Obmann der Initiative muslimischer Österreicher.