Religion, Kultur und Politik - wie verhält sich das im Islam zueinander?
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Das friedliche Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen in Österreich erfährt in jüngster Zeit immer wieder Herausforderungen, die weniger noch durch die im Lande selbst geführte Debatte um Integration, als oft durch Ereignisse im Ausland ausgelöst werden.
Klarstellung tut Not. Mehr voneinander zu wissen, kann helfen Barrieren und Ängste abzubauen. Wie ist das also im Islam mit der Politik?
Von der Religion her schreibt der Islam keine bestimmte Regierungsform vor, sehr wohl aber Rahmenbedingungen, die das Zusammenleben bestimmen sollen. Der Islam ist keine statische Religion, sondern trägt in sich große Dynamik. Denn es ist ein weiter Spielraum gegeben, um ausgehend von sich verändernden gesellschaftlichen Voraussetzungen (Ort, Zeit und handelnden Personen) auf Basis der zentralen Texte zu jeweils angemessenen Auslegungen zu gelangen.
Sehr klar sind demnach grundlegende Prinzipien dargelegt, mit der die Menschen ihre gesellschaftlichen Angelegenheiten ordnen sollen. Dazu zählt die Anerkennung von Pluralität, denn Vielfalt ist gottgewollt und soll zum Dialog, dem „Kennenlernen“, genutzt werden. (Koran 49:13) Eine Sure des Koran ist nach dem Auftrag der gegenseitigen Beratung, der „Schura“, benannt, was als Forderung nach demokratischen Prinzipien bei der Lösung von Fragen verstanden wird. Das „Wetteifern um gute Taten“ und das „Abwehren des Schlechten mit dem Guten“ sind weitere zentrale Bausteine eines Verständnisses konstruktiven menschlichen Zusammenlebens, das sich im Gedanken der Demokratie wieder findet. Ein besonders prominenter Vertreter einer demokratischen Staatsform ist übrigens der Altösterreicher Muhammad Asad, vom Judentum zum Islam konvertiert, der in seinen zahlreichen theoretischen Schriften ein Ideal von modernem Parlamentarismus, gepaart mit einem Mehrparteiensystem und republikanischer Staatsform sah.
Dass in vielen (beileibe nicht allen!) Ländern der islamischen Welt keine Demokratien herrschen, darf nicht mit der Religion zu erklären versucht werden. Hier zeigt unter anderem ein Blick in die jüngere koloniale Vergangenheit auch die Verantwortung des Westens auf, dem an der Installierung leicht unter dem eigenen Einflussbereich zu haltender Regime gelegen schien. De facto war übrigens die Macht zwischen Theologie und Politik in der islamischen Geschichte weitestgehend getrennt: Da der Kalif, dort der Gelehrte – und nicht wenige hatten Repressalien zu fürchten, wenn sie es mit dem Wort „Der beste Dschihad (übersetzt: Anstrengung auf dem Weg zu Gott, nicht „Heiliger Krieg“, denn Krieg kann nicht heilig sein) ist ein wahres Wort gegen einen Tyrannen“ ernst meinten.
Könnte es gelingen mehr zwischen religiöser Lehre und dieser oft entgegen gesetzter Tradition – hier vor allem bei Frauenfragen- zu unterscheiden, dürfte man auch nicht „dem Islam“ solche Ungerechtigkeiten anlasten. Verantwortung etwas positiv zu verändern, müssen gerade gläubige Muslime aber bei diesen Fragen übernehmen.
Wie völlig vereinbar es ist, sich in der muslimischen Religion beheimatet zu wissen und gleichzeitig zugehörig zu Europa zu fühlen, haben auch mehrere offizielle Erklärungen nach großen muslimischen Konferenzen theologisch begründet. In Österreich streben Muslime zunehmend Integration durch Partizipation an. Mitmachen in möglichst allen Lebensbereichen soll Vorurteile überwinden.
Als Muslime betonen wir immer wieder, wie günstig die rechtlichen Rahmenbedingungen für uns in Österreich sind. Der Anerkennungsstatus des Islam ermöglicht einen Dialog auf gleicher Augenhöhe, der sich als modellhaft auch bis ins europäische Ausland herumgesprochen hat. Dass die Muslime in Österreich per Islamgesetz von 1912 ihre inneren Angelegenheiten, also die Interpretation der Religion, eigenständig regeln können, half emotional geführte Debatten auf eine Ebene der konstruktiven Sachlichkeit zu heben. Beispiele: Kopftuchthema und Schächten, bei denen das Gespräch mit Muslimen, statt über Muslime sichtbare und gute Ergebnisse brachte. Das Verhältnis Staat – Religion ist in einer sehr ausbalancierten Weise geregelt. Säkular mit einer klaren Trennung der Machtbereiche, aber nicht laizistisch mit seiner oft als geradezu religionsfeindlich empfundenen denkunmöglichen strikten Verbannung des Religiösen ins Private: Damit können die Muslime in Österreich sehr gut leben.