Stellungnahme von Scheich Adnan Ibrahim

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In den letzten Tagen und Wochen tauchten immer wieder Behauptungen und Meldungen auf, die mich als angeblichen "Hassprediger" diffamiert haben und so darzustellen versuchten, als wäre ich ein Verherrlicher von Gewalt und Terroristenfreund. Wer hinter dieser Kampagne steht, ist mir bis heute unbekannt. Es ist jedoch offensichtlich, dass die Urheber der Kampagne (damit meine ich ausdrücklich nicht die Medien und nicht die Journalisten)  auf eine Rufschädigung um jeden Preis hinzielen.  Umso wichtiger erscheint es mir, selbst klar und deutlich zu den kursierenden Gerüchten Stellung zu nehmen.

Meine Absage an Gewalt und Terror ist klar und eindeutig. Ich habe dies in mehreren Predigten und Stellungnahmen insbesondere nach den Attentaten am 11.September in New York, später von Madrid und London getan und die Angriffe aufs Schärfste verurteilt. Es gibt keinerlei Legitimation für solche Taten. Sie sind ein Verbrechen.

Ich habe in einer anderen Predigt den feigen Mord an dem holländischen Filmemacher Van Gogh verurteilt und die Initiative ergriffen, eine österreichische Imame-Konferenz einzuberufen, an deren Schlusserklärung ich maßgeblich  beteiligt war. Die Ergebnisse waren insbesondere die Absage an Gewalt und jegliche Form von Terror sowie das Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Pluralismus und Menschenrechten. Integration durch aktive Teilhabe an der Gesellschaft in allen Belangen des täglichen Lebens sehe ich als den einzigen Weg für ein harmonisches und friedvolles Leben miteinander.

Nach den Anschlägen in London habe ich die so genannte "Antiterror Fatwa" erlassen.

Dazu hieß es in der medialen Berichterstattung: "Als Konsequenz aus den jüngsten Anschlägen in London hat heute, Freitag, ein Imam in einer Wiener Moschee eine "Fatwa" gegen den Terror verkündet. Der Islamgelehrte distanzierte sich in dieser Weisung an die Gläubigen von jeglicher Form des Terrorismus und anderer krimineller Akte."

Das Ö1 Abendjournal brachte dann wörtlich folgende Passage: "Ich rufe dazu auf, dass jeder Moslem, der von der Planung eines Terroraktes hört, wo Menschenleben oder auch Güter zerstört werden, gleich und ohne zu zögern die Sicherheitsbehörden verständigt - und zwar ohne es vorher einem islamischen Gelehrten zu sagen." Mit diesem Schritt will ich möglichen Radikalismus oder gar Terrorismus im Keim ersticken.

Am 1. Dezember 2006 trug ich in einem großen Vortrag an der Universität Wien eindeutig meine Position und mein Verständnis des Islam in bezug auf Gewalt, Religion und Glaubensfreiheit vor. In einer Predigt verurteite ich das Todesurteil gegen den Afghanen Abdul Rahman, der wegen seiner Konvertierung zum Christentum der Tod gedroht hatte. In einer ausführlichen Predigt legte ich aufgrund der islamischen Quellen dar, dass dies sein Recht wäre und niemand das Recht habe, ihn deswegen zu bestrafen.

Mein Engagement für die Rechte der Frauen stellt einen zentralen Punkt meiner Tätigkeit dar.

Insbesondere möchte ich meine "Fatwa" gegen FGM (Genitalverstümmelung der Frauen in manchen Regionen, auch der muslimischen Welt) erwähnen. Hier bezeichnete ich diesen Gewalteingriff als nicht zu rechtfertigen, als gegen das Recht auf die Unverletzbarkeit der Körpers und gegen das Recht auf ein erfülltes Geschlechtsleben der Frau in der Ehe. Bei der jüngst zu Ende gegangenen Al Azhar Konferenz zum Thema in Kairo wurde meine Ausführung eingebracht, als einzige muslimische Stellungnahme eines Gelehrten von außerhalb Ägyptens und Afrikas.

Die aufgetauchten Übersetzungen von Tonbandaufnahmen sind aus dem Zusammenhang gerissen und enthalten nicht die gesamte Predigt. Insbesondere sind wesentliche Aussagen wie die Verurteilung jeglichen Angriffs gegen Zivilisten, die Hinweise, dass meine Solidarität mit dem Widerstand gegen Besatzung nur im Rahmen des anerkannten Völkerrechts laut Vereinigten Nationen geschehen dürfe, nicht übersetzt und weiter gegeben worden. Auch die arabische rhetorische Formulierung "wir" ist nicht mit Österreich und Europa gemeint und keiner der hier lebenden Muslime hat es auch so verstanden. Vielmehr ist damit die unter Besatzung lebende Bevölkerung gemeint. Weiters wurden mir sowohl bei der anonymen Anzeige, als auch in diversen Übersetzungen Zitate zugeschrieben, die ausdrücklich in der Originalfassung weder von mir stammen noch von mir vertreten wurden.

Zum Beispiel wurde mir vorgeworfen, dass ich Österreich als "Haus des Krieges" betrachte. Das ist eine klare Verleumdung, da meine Stellung zu Österreich als meiner Heimat unbestreitbar ist, der ich mich als Staatsbürger verpflichtet fühle. Die Muslime haben längst die mittelalterliche Einteilung in  "Haus des Islam" und "Haus des Krieges" überwunden. Die Grazer Erklärung von 2003, mit der ich mich voll und ganz identifiziere, unterstreicht diesen Punkt ausdrücklich.

Besonders infam waren Vorwürfe mich des "Aufruf zum Terror" zu bezichtigen. Neben meiner allgemeinen Verurteilung von Terrorismus erwähnte ich die Situation im Irak bei einigen Anlässen habe keine Gelegenheit ausgelassen die Terrorakte zu verurteilen. Meine Bemühungen für Frieden im Irak sind jedem Interessierten bekannt.

Verwundert war ich, dass sogar meine klare Stellung gegen Diktaturen und totalitäre Regime in der arabischen und islamischen Welt gegen mich verwendet wird. Richtig ist, dass ich mir eine demokratische und pluralistische Struktur wünsche und für die Freiheit der Bürger eintrete. Die Behauptung,  ich hätte zum bewaffneten Kampf gegen staatliche Institutionen aufgerufen, ist eine weitere Verleumdung. Da die Urheber dieser Behauptungen nur anonym agieren, kann ich laut rechtlicher Beratung kaum etwas dagegen unternehmen.

Anschließend sollte meine persönliche Lebenserfahrung als Betroffener nicht unerwähnt bleiben. Als Palästinenser, der in einem Flüchtlingslager im Gazastreifen geboren und aufgewachsen ist, habe ich mein Leben lang unter Besatzung gelitten. Mein Medizinstudium in Banja Luka musste ich sehr bald aufgrund des Jugoslawienkrieges und der damit begonnenen ethnischen Säuberungen gegen Muslime unterbrechen und habe in Österreich und Wien eine neue Heimat gefunden, wo ich endlich in Würde und Sicherheit leben konnte. Meine Frau stammt aus Gaza. Ihre schwer kranke Mutter konnte sie aufgrund der Belagerung von Gaza nicht besuchen. Sie verstarb vor einem Monat und wir konnten nicht an der Beerdigung teilnehmen. Dass ich während des Libanonkriege und des gleichzeitigen Einmarsches des israelischen Armee im Gazastreifen mit über getöteten 310 Zivilisten, davon  93 Kinder und 30 Frauen,  73 Hauszerstörungen, dies von der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen, emotional sehr unter Druck stand und meine Sympathien nicht auf der Seite der israelischen Führung und Armee standen, ist hoffentlich für jeden, wenn nicht verständlich, so zumindest nachvollziehbar.

Ich möchte mich bei allen, die mir in dieser schwierigen Zeit zur Seite standen, bedanken. Journalisten und Medien, die zur Aufklärung beigetragen haben, spielten hier eine wichtige Rolle. Letztlich bin ich zuversichtlich, dass die Menschen in Österreich das Geschehen angemessen beurteilen können und die Verwirrung sich somit legt.

Wien, am 20.01.2007                           

Adnan Ibrahim

Datum: 
Saturday, 20 January, 2007
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