Kurzbericht, Doha/Wien: Scheich Qaradawi gegen FGM

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Um eine kurze und eindeutige Stellungnahme (Fatwa) zum Thema „weibliche Genitalbeschneidung“ (FGM) wurde der große muslimische Gelehrte Scheich Yusuf Al Qaradawi von Rüdiger Nehberg (Target) und Tarafa Baghajati (IMÖ) bei einem persönlichen Gespräch in Doha gebeten.

Scheich Yusuf Al Qaradawi stellt in seiner Fatwa datierend vom 2. März 2009 einführend fest, dass keinerlei Beweise für die Verpflichtung, geschweige denn eine Empfehlung für weibliche Genitalbeschneidung bestünden, weder im Koran, noch der Sunna, noch im Konsens der Gelehrten (Idschma’), noch im Analogieschluss (Qias). Allerdings sei die weibliche Genitalbeschneidung in der Vergangenheit generell als erlaubt angesehen worden. Es gelte aber im islamischen Fiqh (Theologie) als unbestritten, dass auch vorerst als erlaubt betrachtete Angelegenheiten zum Teil oder zur Gänze verboten werden können/müssen, wenn erwiesen werde, dass sie zum Schaden der Menschen führten. Denn was Allah erlaubt, dies soll den Menschen weniger Schwierigkeiten bringen: „Allah will es euch leichter machen…“ (Koran 4:28).  In weltlichen Angelegenheiten sei der Rat der Experten in den jeweiligen Fragen einzuholen.

Nach der oben zusammengefassten Einführung stellt Scheich Qaradawi in seiner Fatwa folgendes fest:

Vollständige Übersetzung

… Da die sachliche Untersuchung durch neutrale Experten und Spezialisten, die nicht ihren eigenen Interessen, noch Begehrlichkeiten anderer folgen, bewiesen hat, dass die weibliche Genitalbeschneidung in ihren vorhandenen Formen dem weiblichen Geschlecht körperliche und psychische Schäden zufügt und das eheliche Leben der Frauen stark beeinträchtigt, muss dieser Brauch gestoppt werden, um diesen Schaden zu vermeiden. Die Begründung, warum wir in diesem Punkt den alten Gelehrten widersprechen, liegt darin, dass zu ihrer Zeit nicht unser jetziger Informationsstand und detailliertes Wissen vorlagen. Es gilt: Die Fatwa ändert sich mit der Änderung von Ort, Zeit und Umständen. Und hätten die Gelehrten vor uns das erfahren, was wir jetzt wissen, hätten sie ihre Meinung geändert, da sie immer nach Wahrheit strebten.

Basierend auf der obigen Erklärung halten wir fest, dass die jetzt praktizierte weibliche Genitalbeschneidung ohne jegliche gerechtfertigte Begründung eine unerlaubte und islamisch verbotene Sache ist. Diese ist als „Änderung der Schöpfung Gottes“ zu betrachten, die ein von Gott verbotenes Werk des Teufels darstellt. Es gibt keine Erlaubnis Gottes diesbezüglich.

Der bescheidene Diener Allahs,

Yusuf Al-Qaradawi

Historische Bedeutung der Fatwa

Die historische Bedetutung dieser Fatwa liegt darin, dass zwar die prinzipielle Ablehnung von FGM durch Scheich Qaradawi seit der Azhar Konferenz im November 2006 vorhanden war, in der Formulierung jedoch immer wieder Abschwächungen vorkamen, die einen Auslegungsspielraum öffneten. Mit seiner Stellungnahme am 02. März 2009 schließt der einflussreiche Scheich diese Lücke und setzt somit einen wesentlichen Schritt in Richtung Beendigung dieser Unsitte.

In dem über 90 Minuten dauernden Gespräch mit Rüdiger Nehberg und Tarafa Baghajati wurde Scheich Qaradawi darüber hinaus zur ganz praktischen Konsequenz für den Alltag gefragt Viele Muslime in jenen Ländern, wo noch immer die weibliche Genitalbeschneidung praktiziert werde seien der vielen Erklärungen und seitenlangen Fatwas zum Thema müde. Der/die einzelne will aus dem Mund der Gelehrten, die das Vertrauen der Bevölkerung genießen, eine Antwort auf die Frage hören: „Soll ich meine Tochter beschneiden lassen oder nicht?“ und zwar ein einfaches Ja oder Nein. Scheich Qaradawi antwortete: „Diese Frage wird von mir mit einem klaren Nein beantwortet: Lass deine Tochter nicht beschneiden!“.

Tarafa Baghajati, Doha. 03.März, Wien 04. März 2009

PS: Das Dokument der Fatwa ist auf dem offiziellen Papier von „International Union for Muslim Scholars“ geschrieben und persönlich von Scheich Qaradawi händisch unterzeichnet.

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