Muslime sagen: "Nicht mit uns!" zur Hasspropaganda der FPÖ
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Stellungnahme Islamischen Glaubensgemeinschaft, Wien 28. September 2010
"Wennst dem Mustafa ane aufbrennst, kriagst a Hasse spendiert." Daneben ein kleiner Bub, der nur allzu willig mit seiner Schleuder schießt. - Das Entsetzen unter türkischstämmigen und muslimischen WienerInnen ist groß und macht sich bei uns in der Islamischen Glaubensgemeinschaft Luft. Tausende Kinder und Jugendliche, viele von ihnen selbst "Mustafas", mussten oben zitierte Comicsprechblase als unfreiwillige Empfänger der FPÖ Hasspropaganda lesen. Eltern hören bange Fragen wie: "Werden wir jetzt auf der Straße verprügelt?" und vor allem. "WARUM? Wir gehören doch hier dazu!". Aufgebracht melden sie sich, wie sie erstens dazu kommen, dass mit ihrem Steuergeld solches Aufstacheln zu Gewalt gegen sie finanziert wird und zweitens ungebeten an sie verschickt wird.
Diese besorgten Reaktionen haben die Islamische Glaubensgemeinschaft bewogen, eine Anzeige wegen Verhetzung zu erstatten. Es genügt nicht, das FPÖ Machwerk in den Mist zu befördern und so zu zeigen, dass es zu primitiv ist, überhaupt ernsthaft diskutiert zu werden. Denn werden dumpfe Scheinargumente ständig widerspruchslos wiederholt, drohen sie in breiten Gesellschaftskreisen verinnerlicht zu werden. Seit Jahren sind wir Zeugen der Feindbildpolitik der FPÖ, die vor allem Muslime, neuerdings vor allem Türken, so hinstellt, als seien sie eine "Bedrohung" gegen die es moralisch gerechtfertigt sei vorzugehen.
Diese Islamfeindlichkeit führte dazu, muslimische Sichtbarkeit in Frage stellen zu wollen, als dürfe für Muslime nicht die volle Religionsfreiheit gelten. Das ist bedenklich genug, denn bereits teilweise in das Mainstream-Denken gesickert. Wenn zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen gar tätliche Gewalt gegen Muslime verherrlicht wird (siehe das inzwischen gerichtlich verbotene Anti-Minarett "Spiel"), dann muss dies ernste Konsequenzen nach sich ziehen. An erster Stelle ist der Rechtsstaat gefordert, die Menschen in Österreich vor solcher Hetze zu schützen. Danach die Politik, die sich gegen die populistische und demagogische Abwärtsspirale durch die Pflege einer inhaltlich fundierten demokratischen Streitkultur stellen sollte.
Längerfristig ist das Bildungssystem gefragt. Interreligiöse Projekte der christlichen und muslimischen ReligionslehrerInnen wirken schon jetzt, oft noch im Stillen. Von den Schulen muss auch eine differenzierte Sicht auf die Geschichte der türkisch (osmanisch)-österreichischen Beziehungen ausgehen. Dies würde helfen, Hasspropaganda von vornherein in ihrer Absicht zu durchschauen.
Herauszuarbeiten ist etwa, dass es sich bei den "Türkenkriegen" um zeittypische machtorientierte Expansionskriege handelte und keinesfalls um Religionskriege - die tobten zum Teil fast zeitgleich zwischen den christlichen Konfessionen in Europa. Protestanten, auch aus Österreich, fanden auf ihrer Flucht Aufnahme und Schutz im Osmanischen Reich. Seit Beginn der Neuzeit wurde allerdings verstärkt alles Islamische zum Feindbild stilisiert, um so eine Folie der Abgrenzung gegenüber dem "eigenen" und damit möglichen Einigungsfaktor zu gewinnen. Folgte man der krausen Logik der FPÖ und ihrer Konstruktion eines "Erbfeindes", so hätte das europäische Einigungsprojekt nie stattfinden können. Denn innereuropäisch waren viele zwischenstaatliche Beziehungen historisch belastet. Dass dieser Ballast abgeschüttelt werden konnte, sollte auch bei der Gestaltung heutiger Herausforderungen motivierendes Vorbild sein.
Rückfragehinweis:
Carla Amina Baghajati,
Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft