Portrait Amina Baghajati in der "Kleine Zeitung"

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Tuesday, 29 March, 2011
Portrait Amina Baghajati in der "Kleine Zeitung"

„Ganz richtig gesagt, Schwester“

Sie wirkt sanft. Eine Sanftheit, die sich mit einer energischen Entschlossenheit schlägt wie ein Lichtstrahl in einem schattigen Hof. Das Kopftuch eng um die Stirn gezogen, nimmt sie in einem imposanten Büro mit tief gepolsterten Stühlen vor einem großen Schreibtisch mit eingravierten arabischen Buchstaben Platz. „Anas Schakfeh“ steht auf dem Schreibtisch in der islamischen Glaubensgemeinschaft in Wien. Carla Baghajati sei, fürchten manche, das liberale Feigenblatt, das die islamische Glaubensgemeinschaft mit ihrem Präsidenten Anas Schakfeh in den Medien gerne vorschiebe. Die 45-jährige gebürtige Deutsche, Tochter eines evangelischen Vaters und einer katholischen Mutter, zieht auf dem schweren Perserteppich ihre bloßfüßigen Beine zu sich und beginnt zu lachen: „Ich würde sofort mit der Medienarbeit aufhören, wenn sich im Hintergrund jemand die Hände reiben und sagen würde: Die macht uns eine gute Presse und wir machen in Ruhe unsere Spielchen.“

Vor elf Jahren hat sie sich mit anderen Musliminnen zu organisieren begonnen. Eine Reaktion auf den Wahlkampf der FPÖ. „Wir haben uns gesagt, dass es nicht sein kann, dass alle über uns, aber keiner mit uns redet, und sind damit in ein richtiges Vakuum gestoßen. Das Interesse der Medien war enorm.“ Ob sie selbst je wegen ihres Kopftuchs angefeindet wurde? „Gelitten habe ich nie darunter, zwischendurch gab es blödes Gerede in der U-Bahn, aber auch spontane Solidarität während des letzten Wahlkampfes“, relativiert sie den soeben präsentierten Rassismus-Report über steigenden Rassismus gegen Kopftuchfrauen.

Reagiert hat vor elf Jahren auch die Glaubensgemeinschaft. „Schickt uns Frauen“ riefen sie. Mit Baghajati wurde erstmals eine Frau aufgenommen.

Seit sieben Jahren spricht sie nun für die Glaubensgemeinschaft, lässt in Streitgesprächen selbst Heinz-Christian Strache gegen die Wand laufen, lächelt milde, wenn Frauenrechtlerinnen kritisieren, dass das Kopftuch die Flagge der Islamisten sei oder die Burka die moderne Form von Sklaverei. Sie stellt zwei Tassen Tee auf den Tisch und seufzt bei der Frage, was sie bei vollverschleierten Frauen empfinde. „Seufzer“, sagt sie, „die Burka-Diskussion ist eingeschlafen und das ist gut so. Auch ich tu mir schwer, wenn ich einen Gesichtsschleier vor mir habe. Aber trotzdem: Ich kann nicht über Frauen drüberfahren und sagen: ‚Ihr seid Sklavinnen‘, ohne zu fragen nach dem Warum.“

Sie kennt die Forderung von Alice Schwarzer nach einem Kopftuchverbot in allen Schulen. Und sie empfindet sie als Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Frau. Wie sie mit Korantexten wie „Die Männer stehen über den Frauen“ umgeht? Man dürfe nicht, sagt sie, Verse aus dem Zusammenhang reißen. „Ich mag diesen arroganten Blick von außen nicht, der sagt: Wir müssen diese Frauen befreien. Da ist immer die Tendenz vorhanden, muslimische Frauen als Opfer darzustellen.“ Sie schüttelt den Kopf, überlegt länger und meint ruhig: „Natürlich gibt es Probleme. Es wäre Heuchelei, sie wegzureden. Es geht aber um den Zugang. Bei Alice Schwarzer und anderen schwingt der Unterton mit: Am leichtesten wäre es, wenn wir den Islam in den Mistkübel werfen.“

Mit 23 ist die damalige Studentin und Schauspielschülerin bei Elfriede Ott zum Islam übergetreten, ein Jahr später hat sie einen Bauingenieur aus Syrien geheiratet. „Mein Mann“, wehrt sie ab, „war nicht der Grund. Ich habe mir als Studentin in Wien den Koran gekauft und gelesen. Das war für mich ein einschneidendes Erlebnis. Interessiert hat mich der Islam immer schon.“

Unterdrückte Frauen

Die Eltern hat sie damals geschockt. „Ich habe ihnen unbefangen am Telefon erzählt, dass ich übergetreten bin. Das war eine Herausforderung. Meine Mutter hatte das Bild unterdrückter muslimischer Frauen im Kopf.“ Sie habe zwar die Frauenrechte aus dem Koran argumentieren können, aber sie wusste auch, dass die Realität oft eine andere ist. „Entscheidend war“, erzählt sie, „dass meine Mutter mit den Jahren gesehen hat, dass ich nicht gehirngewaschen bin.“

Wie die 45-Jährige mit muslimischen Macho-Typen oder einfachen anatolischen Bauern umgeht? Sie lacht und erzählt von Informationsabenden mit Polizisten. Es sei besser, rät sie Polizisten, schlagenden Muslimen zu sagen, sie könnten sich nicht auf den Koran berufen, als ihnen zu sagen, dass sie sich in Österreich befinden und die Gesetze zu akzeptieren hätten. „Bei dem Vortrag vor den Polizisten haben auch anatolische Bauern zugehört und dann nickend gesagt: ‚Ganz richtig, Schwester.‘“ Schwieriger seien die Macho-Typen. „Das sind harte Nüsse, aber ich bin pragmatisch genug, die Scheinargumente dieser Leute zum Einsturz zu bringen.“ Und dann gebe es auch viele Muslime, die sogar bei Frauendemonstrationen gerne mitmarschieren würden. „Die sagen, dass es ihnen auf die Nerven geht, als Fundis und Machos, die ihre Frauen einsperren, hingestellt zu werden.“

Seit sechs Jahren unterrichtet sie „Kreativität“ an der privaten islamischen Fachschule für Religionslehrer. Da lässt sie dann jene Techniken einfließen, die ihre Lehrerin Elfriede Ott sie gelBetroffenehrt hat. „Sie hat uns“, erzählt sie, „vorgelebt, was Schauspieler sein heißt und uns einen Satz mitgegeben: Ihr müsst brennen.“

Betroffen

Carla Baghajati brennt heute für ihre Religion. Und sie beherrscht es, Schattenseiten zu relativieren. Wie es möglich ist, dass noch vor Kurzem im islamischen Religionsunterricht ein Buch mit dem Kapitel „Wie ich eine Frau schlagen kann“ verwendet wurde? Die Frage löst ein mildes Lächeln aus. Das Buch sei aus Mangel an anderen Büchern verwendet worden. „Das war keine Anleitung zum Frauenschlagen. Dieser Gelehrte hat heute auch eine andere Meinung.“ Sie überlegt und fügt hinzu: „Es gab vor Jahren tatsächlich Meinungen wie: Wenn geschlagen wird, dann höchstens mit der Zahnbürste. Aber selbst diese symbolische Auslegung ist heute anders, weil auch bei der Zahnbürste ein Hierarchie-Verhältnis zum Ausdruck kommt.“

Ihre älteste Tochter trägt ebenfalls bereits Kopftuch. Ohne Zwang, wie Baghajati betont. „Sie hat meinem Mann und mir dargelegt, warum es ihr wichtig ist und gesagt, dass sie sich stark genug fühlt, es argumentieren zu können.“

Wie sie reagieren würde, wenn eines ihrer vier Kinder aus dem Islam austreten würde? „Ich wäre genauso betroffen, wie es meine Mutter war“, antwortet sie schnell. Mit einem Lächeln, das sagt: Das wird nicht passieren.

Zur Person

Carla Amina Baghajati, geboren 29.6. 1966 in Mainz-Mombach, Studium Literatur-/Theaterwissenschaften in Wien, Schauspielschule. Vier Kinder. Karriere. Seit 2004 Medienreferentin der islamischen Glaubensgemeinschaft.

Vor sieben Jahren als erste Frau in die Männerrunde der islamischen Glaubensgemeinschaft geholt: die 45-jährige gebürtige Deutsche Carla Baghajati, Medienreferentin der österreichischen Muslime SCHUSTER

Ein guter Morgen beginnt . . .
mit meinem jüngsten Sohn, wenn er zu mir ins Bett kommt.

Angst macht mir . . .
Engstirnigkeit und Hass.

In der Erziehung meiner Kinder ist mir wichtig . . .
Respekt, Lebensfreude, und dass sie sich über alles aussprechen können.

Mein Traum wäre . . .
Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen, zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft.

Als Kind wünschte ich mir . . .
Ich habe mir eine riesige Bibliothek vorgestellt und wollte alle Bücher lesen.

Wenn ich Islamismus höre . . .
denke ich, dass er vor dem 11. September ein harmloser Begriff war und sogar Islamforscher sich als Islamisten bezeichnet haben.