Carla Amina Baghajat 9/11: Misstrauen gegenüber Muslimen in Österreich ist geblieben
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Frauenbeauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Baghajati: "Terrorthema ist vom Tisch, generelles Misstrauen gegenüber Islam aber geblieben"
Wien, 01.09.2011 (KAP) Zehn Jahre nach Terroranschlägen vom 11. September gibt es in Österreich nach wie vor ein großes Misstrauen gegenüber Muslimen. Zwar werde hierzulande der Islam nicht automatisch mit Terror gleichgesetzt, erklärte die Frauenbeauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Carla Amina Baghajati, in einem Kathpress-Gespräch anlässlich des bevorstehenden Jahrestags. "Diese Differenzierung ist mehr oder weniger gelungen, das Terrorthema ist vom Tisch. Aber viel schwieriger ist die allgemeine Unsicherheit und das Misstrauen, das geblieben ist", so die Mitgründerin der "Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen".
Wie für viele Menschen sei der 11. September 2001 auch für sie selbst ein Schock gewesen, der sich tiefgreifend festgesetzt hat, schilderte Baghajati. "Verstehen kann man es nicht. Da hört das Verstehen auf, weil es so entsetzlich ist." Die Anschläge stellten eine historische Zäsur dar. "Man verwendet sogar in der persönlichen Biografie Wendungen wie 'Das ist vor 9/11 passiert' oder 'nach 9/11'."
Bei aller Entsetzlichkeit hätten die Ereignisse aber auch die Möglichkeit geboten, Menschen besser über den Islam zu informieren. So seien etwa viele Journalisten unmittelbar nach den Anschlägen an Hintergrundgesprächen interessiert gewesen, erinnerte sich die langjährige Medienbeauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft. "Da war allen klar war, wie heikel dieser Moment ist und ein Schieben von Kollektivschuld auf 'die' Muslime nicht passieren darf."
Langfristig sei es allerdings nicht gelungen, das generelle Misstrauen gegenüber dem Islam in der Bevölkerung aufzuarbeiten, so Baghajati. Viele Menschen hätten Zweifel, ob der Islam mit Demokratie und modernen Frauenrechten kompatibel sei. "Dieses Unsicherheitsgefühl hat sich verlagert in die diffuse Verdächtigung: 'Die Muslime wollen unser System stürzen.'"
Durch die seit 1912 bestehende staatliche Anerkennung des Islam gäbe es in Österreich einen positiven institutionalisierten Dialog mit Muslimen. "Sehr besorgniserregend" sei allerdings das in Österreich starke Phänomen des Rechtspopulismus, der Islamfeindlichkeit als politischer Strategie einsetze. Mit entsprechenden Kampagnen und der Verwendung von Wörtern wie "Islamisierung" würden Ängste geschürt, kritisierte Baghajat
Hoffen auf "Arabischen Frühling"
Muslime in aller Welt schauten derzeit gebannt auf den arabischen Raum. Man hoffe auf eine Zeitenwende durch den "Arabischen Frühling", die auch ein nachhaltiges Umdenken bei Beobachtern bewirken könnte. "So wie 9/11 eine Zäsur gebracht hat, könnte 2011 einmal in die Geschichte eingehen als das Jahr, in dem sich Muslime in vielen Ländern von ihren Diktatoren befreien konnten und durch ihr Handeln zeigen, dass Islam sehr wohl vereinbar ist mit Demokratie, Menschenrechten und Religionsfreiheit", sagte Baghajati.
Auch im Bereich des interreligiösen Dialogs in Österreich ist in den Jahren nach 9/11 viel passiert. Grundlage dafür sei aber der funktionierender Dialog unter den Religionen gewesen, den es in Österreich schon lange vor dem 11. September 2001 gegeben habe, so Baghajati. "Die Tradition von guten interreligiösen Gesprächen reicht ja weiter zurück in die Ära von Kardinal König", erinnerte Baghajati, die auch Mitbegründerin der "Plattform Christen und Muslime" ist. Viele der interreligiösen Kontakte seien der breiten Öffentlichkeit verborgen geblieben. Unmittelbar nach 9/11 habe man auf diese Netzwerke zurückgreifen und sie festigen können. Zentrale Herausforderung sei nach wie vor der Dialog an der Basis, stellte Baghajati klar: "So wichtig es ist, Zeichen von oben zu setzen: Das Um und Auf ist die tatsächliche Begegnung von Mensch zu Mensch."
Ein großes Thema für den interreligiösen Dialog sieht Baghajati zudem in der seit den Anschlägen anhaltenden Sicherheitsdebatte. "9/11 ist in einer Phase passiert, da Menschen durch Globalisierung und sich schon abzeichnende wirtschaftliche Schwierigkeiten verunsichert waren." Die Anschläge hätten die Störung des Grundvertrauens der Menschen noch weiter verstärkt, so Baghajati. Vertrauen zu stärken, in einer Zeit, in der Menschen verunsichert sind, sei aber einer der Kernaufträge aller Religionen, besonders in pluralistischen und multireligiösen Gesellschaften. "Früher hat man das Gottvertrauen genannt. Heute würde man sagen, Gottvertrauen ist auch geknüpft an ein Vertrauen-Können auf sich selbst und auf die Schöpfung Gottes."
Zum zehnten Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September publiziert Kathpress ein Themenpaket, das laufend aktualisiert wird. Alle Meldungen waren abrufbar unter www.kathpress.at/11september
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