Neues interreligiöses Dialogzentrum ist eine historische Chance
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Neues interreligiöses Dialogzentrum ist eine historische Chance
OMAR AL-RAWI (Die Presse)
Wien ist seit Langem schon ein Ort der Begegnung und des Austausches. Diese Tradition sollten wir weiter beibehalten.
Wien beherbergt eines der vier Hauptquartiere der Vereinten Nationen. Darüber hinaus ist Wien Sitz zahlreicher internationaler Organisationen wie Opec oder OSZE. Wir sind der beliebteste Kongressstandort der Welt. Dies wussten Kennedy und Chruschtschow, Carter und Breschnjew sehr zu schätzen. Wien kann mit Recht behaupten, eine Stadt des Friedens, der Freiheit und der internationalen Begegnung zu sein. Diese neue Identität und dieses neue Selbstbewusstsein haben sich vor allem nach den Weltkriegen entwickelt.
Heute wird der Gründungsvertrag für das „King Abdullah International Center for Interreligious and Intercultural Dialogue“ feierlich unterzeichnet werden. Nun wird Kritik laut, dass die Bundesregierung ausgerechnet mit Saudiarabien ein derartiges Projekt durchziehen will. Angeführt werden dabei die nicht vorhandene religiöse Toleranz im Königreich und dass Saudiarabien das Zentrum für Propaganda- und Missionierungszwecke des Wahabismus missbrauchen könnte.
Vergessen wird dabei jedoch, dass das Institut ein hochkarätiges, internationales, neunköpfiges Direktorium hat, in dem Vertreter der verschiedenen Weltreligionen arbeiten werden.
Dialog keine Einbahnstraße
Wir müssen zwei Dinge auseinanderhalten. Es gilt, die berechtigte Kritik an gewissen Zuständen im Königreich fortzusetzen, aber zugleich die Möglichkeit des Dialogs und des Austausches zwischen den Kulturen und Religionen offen und offensiv zu betreiben. Der Dialog kann, darf und wird keine Einbahnstraße sein und bleiben.
Doch die interreligiöse Initiative unter Beteiligung Saudiarabiens ist eine historische Chance – unter anderem dafür, die positiven Umwandlungsprozesse in den arabischen Ländern zu unterstützen. Von vielen Beobachtern wird die Beteiligung Saudiarabiens an dieser Initiative als Signal eines Teils des Herrscherhauses gewertet, eine Öffnung zu erreichen, um nicht den Anschluss an die regionalen Transformationsprozesse zu verpassen.
Das Beispiel Helsinki-Schlussakte
Derartige Dialoginitiativen können längerfristig zu wichtigen Ergebnissen führen. Erinnern wir uns an die KSZE und die Schlussakte von Helsinki 1975. Unmittelbar danach galt der Ostblock in den Augen vieler Beobachter als eigentlicher Gewinner der KSZE. Erst später zeigte sich, dass der sich mit den Menschenrechten befassende Teil der Schlussakte ein größeres Gewicht besaß. Er war Grundlage für die Arbeit vieler Bürgerrechtler und Menschenrechtsgruppen wie Charta 77 oder Human Rights Watch.
Auch die Sorge, dass das Wiener Dialogzentrum für Propagandazwecke missbraucht werden könnte, teile ich nicht. Dass hier mehrere Akteure und Staaten von Spanien bis zum Vatikan Mitinitiatoren sind, lässt hoffen, dass eine vernünftige Balance entstehen wird. Niemand wird etwa der Internationalen Atomenergiebehörde mit Sitz in Wien vorwerfen können, dass sie der Iran durch Verteidigung seines Atomprogrammes für Propagandazwecke missbraucht.
Österreich hat den Islam 1912 als erstes europäisches Land anerkannt. Wien hat sich als Hauptstadt eines neutralen Staates bewährt, als Ort des Dialogs und der Begegnung. Drei sehr erfolgreiche europäische Imame-Konferenzen haben in Österreich stattgefunden, darunter zwei in Wien. „Dort, wo miteinander gesprochen wird, kommen die Leute zusammen“, sagt ein bekanntes Wiener Sprichwort. Wir sollten uns vor so einer Initiative nicht fürchten. Wir sollten ihr eine Chance geben.
Omar Al-Rawi ist Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen und war langjähriger Integrationsbeauftragter der IGGiÖ.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2011)