Verantwortung für die Schöpfung

Diese Homepage wurde mit einem neuem CMS aufgesetzt und befindet sich daher in Arbeit ...

Wien, im Dezember 2003

Allgemeines

Um über Verantwortung für die Schöpfung sprechen zu können halte ich es für notwendig, einen Blick auf das islamische Weltbild, auf das Bild von Gott und dem Menschen zu werfen.

Aus muslimischer Sicht ist die Welt nicht umsonst erschaffen. Gottes Schöpfung ist mit einem bestimmten Sinn versehen. Zu allererst ist sie Zeichen der Herrlichkeit und Allmacht des Schöpfers. Die gesamte Schöpfung ist ein in sich geschlossenes System, das von Gott, dem Herrn der Welten, erhalten wird und von Ihm abhängig ist. Alles, was in den Himmeln und auf der Erde ist, gehört Allah, kann man dem Koran entnehmen (Sura 42:4). Er ist der Herr, der Schöpfer, der Herrscher, der Erhalter, der Richter, der Schützer, der Erbarmer, usw. Insg. wird Allah mit 99 solcher Namen bezeichnet, die Seine Eigenschaften ausdrücken. Er hat Macht über Leben und Tod, ist  ewig und allein und über alle Dinge erhaben.  Alles außer Ihm gehört zu Seiner Schöpfung, so auch der Mensch. Hinsichtlich seiner Geschöpflichkeit unterscheidet sich der Mensch nicht von den Tieren. Die besondere Auszeichnung des Menschen ist - neben seiner Fähigkeit zur Unterscheidung und Gewissensbildung - dass er von Gott angesprochen wurde durch Seine Offenbarungen. Der Mensch ist jedoch nicht Herr und Eigentümer der Welt, sondern er  hat  einen Herrn, nämlich den Herrn der Welten. Im Koran wird der Mensch als „khalifa“ bezeichnet, was soviel wie Stellvertreter oder Statthalter bedeutet. Aus dieser Stellung ergibt sich Verantwortlichkeit.
Die Schöpfung ist dem Menschen nur anvertraut, damit er daraus Nutzen ziehen kann, dies aber nicht ohne Bedingungen oder gar zur grenzenlosen Ausbeutung.

Im Koran steht:

(31:20) "Hast du nicht gesehen, dass Gott alles, was auf der Erde ist,  in euren Dienst gestellt hat ...

oder in

(45:13) "Und (Er) hat euch zu Nutzen gegeben, was in den Himmeln und was auf der Erde ist, alles insgesamt von Ihm. Hierin sind bestimmt Zeichen für Leute, die nachdenken."

Jeder Einzelne steht  in seiner Verantwortlichkeit in einer Prüfungssituation, in der er sich bewähren kann, aber auch fehlgehen und sich die falschen Ziele setzen kann. Und jeder Mensch ist für sein eigenes Tun verantwortlich.  Es gibt dabei keine Vorbelastung durch den Ungehorsam Adams. Aus islamischer Sicht hat Gott Adam vergeben und leitet die Menschen seit der Verweisung aus dem Paradies durch Propheten und Gesandte, von Noah über Abraham und Moses über David und Salomo bis hin zu Jesus, der im Islam der letzte Prophet vor Muhammad (s.s.) war.

Die Bewährung des Einzelnen wird im Koran öfter angesprochen. Zwei Beispiele:

In Sura 67:1,2:
 
"Segenreich ist Er, in dessen Hand die Herrschaft ist, und Er ist zu allem imstande.
Derjenige der das Sterben und das Leben geschaffen hat, damit Er euch prüft, welcher von
euch am besten ist im Tun, und Er ist der Mächtige, der Verzeihende." 
 

In Sura 18:7:
 
"Wir haben ja, was auf der Erde ist, als Schmuck für sie gemacht, damit Wir sie (die Menschen) prüfen, welcher von ihnen am besten handelt."

Gott der Herr, dem die Schöpfung gehört, hat also diese dem Menschen anvertraut und der Mensch ist Ihm gegenüber für den Umgang mit der Schöpfung verantwortlich und schuldet Seinem Herrn Rechenschaft.

An vielen Stellen des Koran wird der Mensch im Hinblick auf diese Rechenschaft gewarnt. Er wird Gutes oder Schlechtes, das er getan hat - und sei es nur  "im Gewicht eines Stäubchens" (Sura 99:7,8) - so die koranische Diktion, dereinst sehen.

In Sure 7:56 wird der Mensch gewarnt, Unheil auf Erden anzurichten, nachdem Gott dort alles - wie es heißt -
„bestens geordnet“ hat.

"... und stiftet kein Unheil auf der Erde, nachdem dort alles bestens geordnet ist."

Diese Ordnung zu bewahren, wird dem Menschen damit aufgetragen. Auf die Erde bezogen und im zeitgenössischen Sprachgebrauch ist diese „beste Ordnung“ das "ökologische Gleichgewicht",  das das Leben überhaupt erst ermöglicht. Der Auftrag des Menschen ist also, nicht Unheil auf der Erde anzurichten, sondern im Gegenteil,  Heil durch Frieden zu machen, Gleichgewicht zu bewahren. Dieser Sinn liegt  schon im Wort "Islam" selbst, dessen Ursprung mit dem Wort "Salam" = Frieden zusammenhängt. Die tiefere Bedeutung ist also das Friedenmachen mit Gott, dadurch mit den Mitmenschen, mit sich selbst und der Schöpfung als Ganzes.

Was verstehen Muslime unter diesem „Friedenmachen“?

Es ist für sie der verantwortungsvolle Umgang mit Gottes Schöpfung entsprechend den Anweisungen und der Rechtleitung durch Gottes Offenbarungen, die durch den Propheten Muhammad (s.s.) auf vorbildliche Weise umgesetzt worden sind. Deshalb sind die Muslime aufgefordert, diesem beispielhaftem Verhalten nachzueifern. 

Verantwortung für die Umwelt

Wenn man von Verantwortung für die Schöpfung spricht, denkt man natürlich an die Umwelt.

Die moderne besorgniserregende Umweltproblematik beschäftigt zahllose kritisch denkende Menschen und es wird vielerorts über Lösungsansätze und Alternativen  sowie über Möglichkeiten nachgedacht, diesen "Krieg gegen die Schöpfung", wie der ehemalige deutsche Außenminister Dietrich Genscher es einmal ausdrückte, einzudämmen.

Auch Muslime, allen voran der Deutsche Ahmad von Denffer, haben sich eingehend mit dieser Problematik beschäftigt, indem die islamischen Quellen - Koran und Sunna - auf themenrelevante Stellen gesichtet und untersucht wurden.

Die Kernpunkte dieser Überlegungen und Nachforschungen versuche ich im Folgenden zusammenzufassen:

Der Koran fließt von Naturschilderungen geradezu über, deren Ziel es ist, dem Menschen Ehrfurcht vor Gottes Schöpfung - die er als einen Gottesbeweis versteht - einzuflößen. Rein äußerlich kommt dies dadurch zum Ausdruck, dass zahlreiche Suren nach Tieren oder Naturerscheinungen benannt sind, z.B. die Kuh, das Vieh, die Bienen, die Ameisen, der Elefant, der Donner, das Licht, der Berg, der Mond, die Morgenröte usw.

Auch inhaltlich werden im Koran immer wieder Phänomene in der Natur angesprochen, beispielsweise die besondere Bedeutung des Wassers, das in Sure (21:30) als der Ursprung allen Lebens bezeichnet wird. Es wird dem Menschen klar und deutlich vor Augen geführt, dass er ohne Wasser nicht leben kann, die Erde ohne Wasser keine Frucht trägt, und weder Mensch noch Tier sich ernähren könnten. Die Erde mit dem Wasser vom Himmel ist unersetzlich für die Ernährung und Wasser ist eine  Gnadengabe des Schöpfers, mit der der Mensch richtig umgehen muss, um in ihren Genuss zu gelangen. Es  gibt  aber keine Gewähr dafür.

Im Koran steht:

(67:30) "Sag: Wenn ihr eines Morgens seht, dass all euer Wasser versiegt ist, wer gibt euch dann Wasserquellen?"

In diesem Vers wird nicht nur ein Nachdenken über die  Gnade Gottes angeregt, mit der Er die Menschen mit Wasser versorgt, sondern auch die ganz aktuelle Problematik des sinkenden Grundwasserspiegels angesprochen.

Der Koran spricht auch zahlreiche alarmierende Schilderungen dessen an, was sich derzeit auf dem Umweltsektor abspielt. Neben dem Absinken des Grundwasserspiegels ein anderes Beispiel dafür ist die Erwähnung des Phänomens des sauren Regens in der 56. Sure, Vers 68-70:

"Habt ihr das Wasser betrachtet, das ihr trinkt? Seid ihr es, die es aus den Wolken niedersendet, oder sind nicht Wir es, die es niedersenden? Wollten Wir, so könnten Wir es sauer machen. Warum also dankt ihr Mir nicht?"

In diesem Zusammenhang ist interessant, dass im Koran gleich nach dieser Stelle die Bäume (also der Wald) genannt wird!

Neben der Aufforderung zur Dankbarkeit werden die Gläubigen von Gott wiederholt und eindringlich aufgefordert, in allen Dingen Maß zu halten und auf keinen Fall mit Ressourcen verschwenderisch umzugehen.

Ein Beispiel von vielen aus dem Koran:

"Und Er ist es, der wachsen lässt Gärten mit Rebspalieren und ohne Rebspaliere und die Palmen und das Korn,.... dessen Speise verschieden ist, und die Oliven und die Granatäpfel, einander gleich und ungleich: Esst von ihrer Frucht, so sie Frucht tragen und gebt die Gebühr davon am Tag der Ernte, und seid nicht verschwenderisch, siehe Er (Allah) liebt nicht die Verschwender." (6:141) 

Ganz in diesem Sinne ist den Gläubigen auch geboten, jeden Prunk und Luxus zu meiden. Beispielsweise sind Essgeschirr aus Gold oder Silber untersagt.

Daraus leiten sich einige wichtige wirtschaftliche Grundsätze ab, die ich an dieser Stelle erwähnen möchte. Sie  zielen nicht nur auf ein verantwortliches, umsichtiges Maßhalten beim Wirtschaften ab, sondern sollen auch ungerechtfertigter Bereicherung, die nicht auf dem Prinzip "Ertrag durch Leistung" beruht, entgegenwirken.

So wird das Horten von Gütern, um die Preise hochzuhalten, abgelehnt;  dasselbe gilt für die Vernichtung von Lebensmitteln. Es besteht ein allgemeines Zinsverbot, da Menschen in einer Notlage nicht noch zusätzlich belastet werden sollen. Transaktionen, bei denen Unsicherheitsfaktoren auftreten, bzw. bei denen etwas verkauft wird, was man selbst gar nicht besitzt, werden ebenfalls abgelehnt.

Die konsequente Anwendung solcher Grundsätze könnte einen erheblichen Beitrag zur Lösung etlicher Umweltfragen bedeuten. In Wirklichkeit ist die grenzenlose Förderung des Konsums ja nichts anderes als eine rücksichtslose Verschwendung, und diese ist für unser heutiges Weltwirtschaftssystem typisch.

Von fundamentaler Bedeutung im Umweltzusammenhang ist auch der bekannte Ausspruch des Propheten Muhammad (s.s.) "Reinheit ist der halbe Glaube." Reinheit ist für den einzelnen Muslim für die Vollziehung seiner religiösen Pflichten wichtig, weil er seine fünf täglichen Gebete nicht nur im Zustand der inneren, sondern auch der äußeren, körperlichen Reinheit und an einem reinen Ort, verrichten muss. Er wird dementsprechend alles meiden oder verhindern, das Verunreinigung und Verschmutzung verursacht. Vor allem die Reinheit des Wassers muss er bewahren, weil es für seine tägliche religiöse Praxis von primärer Bedeutung ist. Nur Wasser von hoher Qualität kann den reinigenden Zweck erfüllen. Der Muslim ist also eigentlich allein aus diesem Grund zum Umweltschützer prädestiniert, weil nur eine intakte Umwelt die Voraussetzungen bietet, die er für die Erfüllung seiner rituell-religiösen Pflichten benötigt. Hier, wie in anderen Dingen beschränkt sich der Islam nicht nur auf große Lösungen. Das Verhalten jedes Einzelnen soll erzieherisch beeinflusst und optimiert werden.

Jetzt will ich wieder auf Ahmed von Denffer zurückkommen. Er zieht aus seinen Überlegung den Schluss, dass die eigentliche Ursache der katastrophalen Umweltbelastungen die Arroganz und  die Überheblichkeit sind, in der der moderne Mensch glaubt, unbeschränkter Herr seiner Umwelt zu sein und seinem hedonistischen Konsumdrang alles andere unterordnet. Der wesentliche Beitrag des Islam zur Beantwortung der Umweltfragen, aber auch anderer Menschheitsfragen läge darin, den Menschen an Gott und die Verantwortung, die er Ihm gegenüber hat, zu erinnern; die Menschen dazu einzuladen, sich um ein Gott wohlgefälliges Leben zu bemühen. Die Voraussicht und das Verantwortungsgefühl sind wesentliche Zeichen gläubiger Menschen. Sie sind es gewohnt, stets an die Folgen ihres Tuns zu denken. Der Islam kann hier sicher wertvolle Impulse geben.

Objektiverweise muss man an dieser Stelle allerdings erwähnen, dass es trotz der hohen islamischen Prinzipien in der islamischen Welt an einem ausgeprägtem Umweltbewusstsein eher mangelt. Man darf dabei aber nicht übersehen, dass es sich bei diesen Ländern meist um wirtschaftlich schlecht entwickelte Staaten handelt, wo die Menschen häufig um ihr tägliches Brot kämpfen müssen. Nicht zuletzt deshalb ist die Auffassung weit verbreitet, dass Umweltschutz bzw. eine kostspielige Umweltschutzgesetzgebung ein unerschwinglicher Luxus sind, den man sich nur in hochindustrialisierten Ländern der sogen. "1. Welt" leisten kann.

Ich halte es aber für überaus bedeutsam, die Menschen dort sowie überall auf der Welt für die uns alle betreffenden Umweltfragen zu sensibilisieren und in islamischen Ländern mit Nachdruck auf die islamischen Vorstellungen über den Umgang  mit der uns geschenkten Schöpfung hinzuweisen.  Denn gerade die islamische Einstellung geht davon aus, dass alles - so auch und insbesondere der Schutz und die Erhaltung unserer Umwelt - beim Verantwortungsgefühl des Einzelnen beginnt. Auch der kleine individuelle Beitrag kann - außer dem Wohlgefallen Gottes - etwas bewirken, wenn er von vielen praktiziert wird.

Verantwortung für die Mitmenschen

Der Mensch hat aber nicht nur gegenüber seiner Umwelt Verantwortung zu tragen, sondern auch gegenüber seinen Mitmenschen, die ja, wie er selbst, Teil der Schöpfung sind.

Hier kann man unterscheiden zwischen der Verantwortung für bestimmte Gruppen und der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung.

Bei den Gruppen stehen an erster Stelle die Verwandten. Immer wieder wird den Gläubigen in Koran und Sunna die sogen. "Pflege der Verwandtschaftsbande" aufgetragen und dies in der Überlieferung sogar als einer der Gründe für das Kommen des Propheten Muhammad (s.s.) genannt. Den herausragenden Stellenwert unter den Verwandten haben die Eltern. Ihnen gegenüber ist Güte und Dankbarkeit geboten. Im Koran (Sura 17:23, 24) wird diese Forderung auf den Punkt gebracht:

"Und dein Herr hat beschlossen, dass ihr niemandem dient außer Ihm und den Eltern Gutes zu tun. Wenn einer von beiden oder alle beide bei dir das Alter erreichen, so sage nicht "pfui" zu ihnen und schelte sie nicht und sage ihnen ein ehrendes Wort. Und senke für sie beide den Arm der Duldsamkeit aus Barmherzigkeit und sag: 'Mein Herr, erbarme dich ihrer beider, wie sie mich aufgezogen haben, als ich klein war.'"

Eine besondere Stellung kommt der Mutter zu. Einmal kam ein Mann zum Propheten (s.s.) und fragte ihn:
"Wer hat am meisten Anspruch, dass ich ihm ein guter Gefährte bin?" Der Prophet antwortete ihm: "Deine Mutter". Auf weiteres Fragen, wer danach käme, antwortete der Prophet noch zweimal mit 'deine Mutter'. Erst beim vierten Mal war die Antwort "Dein Vater".

Sogar nach dem Tod der Eltern hat der Gläubige noch Pflichten ihnen gegenüber. Nämlich für sie zu beten, Vergebung für sie zu erbitten, ihre Verbindlichkeiten, die sie hinterlassen haben, zu erfüllen sowie die Bande der Verwandtschaft zu ihren Angehörigen zu pflegen und ihre Freunde zu achten.

Ganz kurz möchte ich noch weitere Gruppen erwähnen, die den Gläubigen besonders ans Herz gelegt worden sind:

Zuerst die Waisen und die Nachbarn. Im Koran  wird immer wieder zur Speisung der Waisen sowie zu deren guter Behandlung angespornt und darauf hingewiesen, dass der wahre Glaube sich am Verhalten den Waisen gegenüber beweist. Es wird besonders davor gewarnt, sie ungerecht zu behandeln oder gar ihr Vermögen zu verprassen.

Auch die gute Beziehung zu den Nachbarn ist den Gläubigen auferlegt. Wie weit die Verantwortung für gutnachbarschaftliche Beziehungen geht, bringt ein Ausspruch des Propheten Muhammad (s.s.) zum Ausdruck:

"Der Engel Gabriel hat mir so lange den Nachbarn ans Herz gelegt, bis ich meinte, er würde ihn zum Erben einsetzen."

Die Gläubigen sollen ihre Nachbarn nicht nur gut behandeln, sondern sie nicht gering achten, nicht schlecht über sie sprechen, und sich nicht selbst satt essen, während der Nachbar zu hungern hat. Das Verhältnis zu den Nachbarn ist Prüfstein für den Gläubigen und soll durch gegenseitige Achtung, Rücksichtnahme und Barmherzigkeit geprägt sein.

Eine Gruppe und die Verantwortung ihr gegenüber möchte ich noch erwähnen, die hier von besonderem Interesse ist:

Die christliche Minderheit in einer islamischen Gesellschaft. Ich zitiere dazu einige wesentliche Passagen aus einem Vertrag, verfasst vom zweiten Khalifen Omar bin Al-Chattab, dessen Amtszeit 634-644 n.Chr. war:

"Dieser Vertrag gilt für alle christlichen Untertanen, Priester, Mönche und Nonnen. Er garantiert ihnen Sicherheit und Schutz, wo immer sie sich befinden. .... Entsprechender Schutz wird ihren Kirchen, Häusern und ihren Pilgerstätten zugesichert, ebenso denen, die diese Stätten aufsuchen: Georgiern, Abessiniern, Jakobiten, Nestorianern und allen jenen, die den Propheten Jesus anerkennen. Diese alle verdienen Rücksichtnahme, da sie zuvor durch eine Urkunde seitens des Propheten Muhammad geehrt worden sind, unter die er sein Siegel setzte und in der er uns nachdrücklich befahl, gütig zu ihnen zu sein und ihnen Schutz zu gewähren. .... Sie sind dementsprechend als Pilger in allen muslimischen Ländern, zur See und auf dem Lande, frei von der Zahlung aller Abgaben und Steuern ..... Wer immer diesen Vertrag gelesen hat und zwischen heute und dem Tage des Jüngsten Gerichtes ihm zuwider handelt oder mit ihnen im Gegensatz zu diesem Vertrag verfährt, der bricht das Bündnis mit Allah und das Seines geliebten Propheten ... "

Ähnliche Verträge wurden auch mit anderen Minderheiten abgeschlossen, wobei die Christen als sogen. "Besitzer der Schrift" eine besondere Stellung einnehmen. Solche Verträge nennt man "aqd al dhimma", was soviel heißt, wie: "ein Vertrag, dessen Einhaltung Gewissenspflicht der Gemeinschaft ist", für dessen Einhaltung also die gesamte Gemeinschaft verantwortlich ist.  Ziel dieser Verträge war die Regelung der wechselseitigen Beziehungen auf der Grundlage gleicher Rechte und Pflichten. Mit einem Wort:  die Angehörigen der Minderheiten sollen vollwertige Bürger in der islamischen Gesellschaft sein - dies ist ein islam. Prinzip, das fast 1400 Jahre als ist und insbesondere für die damalige Zeit geradezu revolutionär war.

Aber nun zur gesamtgesellschaftlichen Verantwortung des Menschen aus islamischer Sicht. Der Herstellung sozialer Gerechtigkeit soll die sogen. "Zakat" dienen, die eine der fünf Säulen der Glaubenspraxis  und gottesdienstliche Handlung ist.  Sie wird im Koran 28 x im Zusammenhang mit dem Gebet erwähnt, was ihren Stellenwert betont. Was ist Zakat? Am besten kann sie übersetzt werden mit der Umschreibung "soziale Pflichtabgabe" und darunter ist folgendes zu verstehen:

Eine Abgabe genau festgelegter Anteile des Vermögens an Bedürftige, die von Gott Selbst im Koran vorgeschrieben wird. Die Bedürftigen haben einen Rechtsanspruch auf diese Abgabe, weil man davon ausgeht, dass der Mensch ein etwaiges Vermögen Gott zu verdanken hat und kein Vermögen durch Almosen tatsächlich gemindert wird, denn Gott vermehrt in Seiner Barmherzigkeit jede gute Tat. Der Zakat-Empfänger und der Zakat-Pflichtige stehen nicht im Verhältnis eines Bittstellers einerseits und eines großzügigen Spenders andererseits zueinander, sondern sind gleichberechtigte Partner.

Für den Zakat-Pflichtigen stellt die Abgabe ein Training im verantwortungsbewussten Umgang mit Vermögen dar, das insbesondere darauf abzielt, den Gläubigen vor negativen Charaktereigenschaften wie Geiz, Habgier und deren Begleiterscheinungen zu bewahren. Auch die Zakat-Empfänger sollen vor der Entstehung schlechter charakterlicher Eigenschaften, wie Neid, Missgunst oder gar Hass auf die Wohlhabenden bewahrt bleiben und vor allem aus materieller Abhängigkeit befreit werden, um sich aktiv an der Entwicklung der Gesellschaft beteiligen zu können. Im Mittelpunkt steht das Streben nach sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit, ohne Einschränkung der persönlichen Freiheit des Einzelnen, also die Förderung des sozialen Friedens.

Wofür ist Zakat zu leisten?

Im Koran steht dazu (2:219):

"Und sie befragen dich, was sie ausgeben sollen. Sprich: Den Überschuss."

Vom Propheten M. (s.s.) ist überliefert, dass er sagte: 

"Die Zakat ist nur vom Reichtum zu entrichten."

Das heißt, dass ein bestimmtes Minimum an Vermögensmasse vorhanden sein muss, ab dem die Zakat-Pflicht beginnt. Zakat ist von verschiedenen Vermögensarten zu leisten, nicht nur von Kapitalvermögen z.B. auf Viehbestand, auf tierische und landwirtschaftliche Produkte, auf Bodenschätze, auf Aktien und Wertpapiere, auf Immobilien- und Grundvermögen usw. sowie auch auf Lohn- und Gehaltseinkommen.

Wenn von diesen Vermögenswerten etwas über einen Mindestzeitraum in Besitz ist und die Erhebungsgrenze, also das Mindestvermögen, überschritten wird, ist Zakat zu entrichten. Bei Kapitalvermögen und einigen anderen Vermögensarten beträgt sie 2,5 % des errechneten Überschusses bzw. Gewinnes.

Verantwortung für Tiere

Abschließend  noch einige Worte zur Verantwortung des Menschen gegenüber seinen Mitbewohnern auf der Erde, den Tieren.

Die Tiere gehören zu der dem Menschen anvertrauten Schöpfung. Natürlich darf der Mensch aus der Schöpfung Nutzen ziehen, wie bereits erwähnt, und die Tiere sind ein Teil der Schöpfung. Der Prophet selbst hat aber durch sein Wort und sein Beispiel einen Rahmen gesetzt, innerhalb dessen das vielfältige Nutzenziehen statthaft und außerhalb dessen es unstatthaft ist. Freundlichkeit gegenüber Tieren ist ein Teil des guten Glaubens und der islamischen Auffassung von Barmherzigkeit. Deswegen gibt es auch Belohnung für eine gute Tat an jedem Lebewesen. Grausamkeit gegen Tiere wird durch Beispiele aus der Überlieferung als hinreichender Grund angesehen, dereinst von Gott streng bestraft zu werden.

Das Töten von Tieren aus nichtigem Grund und die Tierquälerei hat der Prophet Muhammad strengstens untersagt.

Folgender Ausspruch des Propheten wurde überliefert, den ich hier zitieren möchte:

"Wer einen Sperling oder ein noch kleineres Tier grundlos tötet, den wird Allah am Jüngsten Tag danach fragen." Jemand wollte wissen: "Gesandter Allahs, was ist ein guter Grund?" Er antwortete: "Das Tier zu töten und zu essen, aber nicht, ihm den Kopf abzuschlagen und es wegzuwerfen."

In diesem Lichte muss auch die Frage der Tierversuche gesehen werden. Ein rein wirtschaftlicher Aspekt ist nach islamischen Grundsätzen kein "guter Grund", ein Tier zu töten oder es leiden zu lassen. Wo andere Möglichkeiten offen stehen würde der Islam jedenfalls die Alternativen vorziehen.

In diesem Zusammenhang kurz einige Worte zum Schlachten. Die islamischen Regeln für das Schlachten bestehen darin, dem Tier auf die schnellste und am wenigsten schmerzende Weise das Leben zu nehmen.  Das geschieht derart, dass die Kehle durchschnitten wird, damit es ausbluten kann. Dazu muss das Messer geschärft und das Tier beruhigt werden, um ihm unnötiges Leid so weit wie möglich zu ersparen. Deshalb soll es vor dem Schlachten nicht das Messer zu sehen bekommen oder ein anderes Tier vor seinen Augen geschlachtet werden. Außerdem muss der Name Gottes bei der Schlachtung ausgesprochen werden, womit der Vorgang rein gemacht wird. Der Mensch hat zwar die Macht das Tier zu töten, aber Gott ist der Schöpfer, dem alles gehört. Die Tötung ist kein Akt der Aggression oder der Willkür, sondern erfolgt allein auf Grund der göttlichen Erlaubnis zum Verzehr. Dies wird durch die Nennung des Namens Gottes zum Ausdruck gebracht.

V. Schlussbetrachtung

Somit bin ich am Ende meiner Ausführungen zum Thema "Verantwortung für die Schöpfung".

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Religionen ein unerschöpfliches Potential haben für die Bewusstseins- und Gewissensbildung der Menschen, ob gläubig oder nicht, und dass dies für alle von größtem Nutzen ist.

Religion wird im Islam als jener Bereich betrachtet, in dem bewusst Verantwortung angestrebt und getragen wird.

Aufrichtiger Glaube an Gott bedeutet, dass man grundsätzlich bereit ist, sich in allen Lebensbereichen an Seine Gebote zu halten und entsprechende Taten zu setzen. Glaube ohne Taten ist nur eine Hülse, ein Lippenbekenntnis.

Aus islamischer Sicht trägt der Mensch Schaden davon, wenn er den göttlichen Anleitungen nicht Folge leistet, während er nur gewinnen kann, wenn er die göttliche Rechtleitung Ernst nimmt. Gott als Schöpfer aller Dinge weiß am besten, was für Seine Schöpfung und Seine Geschöpfe gut ist. Er will mit Seinen Anweisungen den Menschen den Weg zum Heil und Frieden leicht machen, wie im Koran öfters betont wird.

Ich schließe mit Worten aus dem Koran,  Surat-al-Asr (103:1-4):

Bei der Zeit: Siehe, der Mensch geht wahrlich verloren, außer denen, die glauben und das Rechte tun und zur Wahrheit auffordern und zur Geduld.

Datum: 
Sunday, 12 October, 2003
Schlagworte