Was bedeutet Kalifat "Khilafa"? 

Das Wort kommt im Koran vor: „Und als dein Herr zu den Engeln sagte: "Ich werde auf der Erde einen Stellvertreter “خليفةً Kalifat - Khilafa” einsetzen...“ (Koran 2:30Der Kontext ist hier sehr klar die Schöpfungsgeschichte und das islamische Menschenbild. Es ist damit die Verantwortung auf Erde gemeint - wie sie allen Menschen zu eigen ist!.

Verbunden mit der Aufgabe, ihre Ressourcen zu bewahren, Frieden und Sicherheit zu etablieren, Blutvergießen zu stoppen, Gerechtigkeit zu verbreiten und Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Das ist die Botschaft des Islams in der koranischen Verlautbarung des Begriffes "Khalifa".

Was jedoch die Forderung nach einem Kalifat als politischem Slogan betrifft, wie sie leider bei einer Demonstration in Hamburg Ende April 2024 verstörte, so ist diese Aktion ein Ärgernis auch für viele gläubige und praktizierende Musliminnen und Muslime. Denn hier droht schon wieder ein islamischer Fachbegriff okkupiert zu werden in einer Bedeutung, die seinem Kern nicht gerecht wird. Ein praktizierender Muslim kann sich sehr wohl in einem demokratischen Rechtsstaat bestens beheimatet fühlen. Daran soll kein Zweifel gesät werden. Gerade in der heutigen Zeit müssten wir das Verbindende zwischen Religionen und Weltanschauungen suchen, was im Kalifatsbegriff im Sinne menschlicher Verantwortlichkeit für das Wohl der Erde ja gegeben ist.

Erst danach macht es Sinn, sich auch mit dem Kalifat als politischer Idee zu beschäftigen und wie diese zu verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Richtungen konzipiert wurde. In der islamischen Geschichte trifft sehr oft der Begriff „Dynastie“ auf Herrschergeschlechter viel mehr zu als die Bezeichnung "Khilafa-Kalifat". Aus dieser Geschichte lassen sich dann auch Schlüsse ziehen - ähnlich wie man sich auch mit der Idee von Monarchie beschäftigen kann.

Zuletzt medial kolportierte angebliche Definitionen wie "Kalifat ist eine islamistische Diktatur" tragen zur völligen Verdrehung der Bedeutung eines Begriffs bei. Das wiederum würde genau jenen in die Hände spielen, denen man bestimmt keine Werbung machen sollte! Neben der breiten Öffentlichkeit werden gerade junge Musliminnen und Muslimen verwirrt, wo eigentlich Aufklärung Not tut!

Und diese Aufklärung wurde von Muslimen längst geleistet! Wir Muslime in Österreich haben uns mit dieser Gruppierung bereits vor über zwanzig Jahre intensiv beschäftigt und all ihre Argumentationsmuster theologisch, geschichtlich und politisch gerade in Sachen Demokratie zerlegt und islamisch gekontert. Dieser Prozess fand abseits der Öffentlichkeit statt, vor allem um jede Art von Werbung für demokratiefeindliche Positionen, wie sie bei der Darstellung des Diskurses thematisiert worden wären, zu vermeiden. Auch eine sehr gut besuchte und heute von über 430.000 Menschen im Internet verfolgte Podiumsdiskussion hat alle entscheidenden Antworten in einer direkten Debatte mit Vertretern der dieser Gruppierung in Österreich geleistet. Das ist 12 Jahre her – und seither ist es zumindest hierzulande ruhig geblieben!

Uns in Österreich vorzuwerfen als Muslime Österreichs untätig zu sein ist höchst unfair und verzerrend. Umso mehr, wenn nicht einmal Interesse gezeigt wird, was hier alles geleistet wurde und wird!

Und noch eine kleine Ergänzung: Muslime denken beim Begriff Kalifat an die Blütezeiten der islamischen Kultur in Andalusien, Bagdad, Damaskus etc. An florierende Zivilisation, Literatur, Philosophie, Mathematik, Algebra und Musik. Aber auch an Zeiten des friedlichen Zusammenlebens von Kulturen und Religionen.

Tarafa Baghajati, Obmann der Initiative Muslimischer Österreicher/innen - IMÖ