Gesammelte FURCHE Kolumnen
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Monatlich schreibt Amina Baghajati eine Kolumne in der bekannten Wochenzeitung „Die Furche“. Hier eine Sammlung der Texte von Juni bis Oktober 2007
FURCHE im Juni
Halten wir uns an Aufklärung
Ginge es nach Christoph Blochers rechtskonservativer Schweizer Partei sollten Minarette per Volksbegehren verboten werden. In Deutschland verursacht der Schriftsteller Ralph Giordano Wirbel, weil er gegen einen Moscheebau ähnlich harsch auftritt wie eine rechte „Bürgerbewegung“. Islamfeindliche Homepages operieren mit dem Begriff des „Islamofaschismus“, als hätten sie damit das ultimative „Argument“ gefunden, das jede Muslimhetze rechtfertigt und zugleich den eigenen Rassismus verschleiert.
Eine Frage der Zeit also, bis gewisse hiesige „Daham statt Islam“- Populisten aufs Abschreiben verfallen würden. Möglichst polemische Versatzstücke eines hysterischen Diskurses, am besten mit pseudoseriösem Touch durch ein paar scheinbar wissenschaftliche Begriffe werden montiert: „Politische Manifestation“, „Weltherrschaftsanspruch“, „Scharia gegen Rechtsstaatlichkeit“ – das wird auch von so manchem Nichtrechten bereitwillig abgenickt. Das dreiste Ausloten des Grades von Demagogie stimmt bedenklich, spiegelt es doch wieder, welche sachlich falschen Thesen im Mainstream aufgehen. Reden wir einmal nicht von den Argumenten, die Muslime wissend um die Ambivalenz des Rechtfertigungseckes gegen die schrille Panikmache setzen – wie viele fundierte Studien anerkannter Wissenschafter schlummern in den Schubladen, ohne dass die Allgemeinheit von ihren Erkenntnissen profitiert?
Ist Aufklärung ein so unmögliches Unterfangen in einer Gesellschaft, in der diverse Gruppen es sich in ihren Vorurteilen schon gemütlich eingerichtet haben? Der Islam bietet sich als Projektionsfläche nicht erst sei 9/11 ideal an, weil umfassendes Wissen meist fehlt, das eine mündige Meinungsbildung erst ermöglicht. Um Gottes Willen: Halten wir uns an Aufklärung
FURCHE im Juli
Don’t panic – I’m Islamic
Dass sich Muslime angeblich nicht genügend von Terror distanzierten, ist ein bei Diskussionen häufig vorgebrachter Vorwurf, der so gar nicht mit der persönlichen Erfahrung zusammengeht, angesichts der Häufigkeit verbaler Verurteilungen um immer neue Formulierungen ringen zu müssen. Die x-te Aussendung dieser Art wandert beim Empfänger wegen mangelnden Nachrichtenwerts häufig in den Mistkübel, kann also von der breiten Öffentlichkeit nicht mehr registriert werden – mit dem beschriebenen Effekt. Schweigen aber könnte missdeutet werden…
Reden wir also über die aktuell grassierende Terrorangst in Großbritannien. Wenn der neue Premierminister Brown das entschlossene Zusammenstehen des britischen Volkes beschwört und zu „Wachsamkeit“ aufruft, so soll mitgedacht werden, dass damit natürlich auch die muslimische Bevölkerung gemeint ist. Andernfalls hätten jene wenigen gefährlichen Köpfe das Ziel der Entfremdung zwischen Menschen verschiedener Religion erreicht. Betroffen wären Muslime von menschenverachtenden Anschlägen genauso. Bei Verdachtsmomenten nicht erst einen Islamgelehrten zu Rate zu ziehen, sondern sich direkt an die Exekutive zu wenden, wurde in Österreich als Fatwa nach den Londoner Anschlägen 2005 formuliert. Das Muslim Council of Britain rief im gleichen Sinne sofort zur Zusammenarbeit mit der Polizei auf und warnte vor einem „Generalverdacht“.
Selbst wenn so manche Zweifler am Dialog nervös auf die theologische Begründung reagieren, warum Terror unislamisch ist, und dies angesichts der Bilder von Gewalt als „Augenauswischerei“ abtun, bleibt dieser Diskurs wichtig, auch um eine Art inneren Selbstreinigungsprozesses zu gewährleisten. Islam kommt von Salam und das ist Frieden – so schlicht wird heute längst nicht mehr formuliert.
FURCHE im August
Zappen gegen Zerrbilder
Wäschewaschen am Fluss, aber eine Satellitenschüssel am Dach – Fernsehen erreicht den gesamten Orient. Aber was wird da geschaut – und ist dieser Konsum vielleicht Nährboden für den diskutierten „clash of civilisations“? „Hotbird“ bietet virtuell Zugang in die arabische Welt. Beim Einschalten eine vertraute Melodie und Studiodekoration: “Millionenshow“ auf Arabisch, produziert im Libanon. Längst sind westliche Unterhaltungsformate adaptiert.
Von „Malcolm“ bis zu den „Simpsons“ - Amerikanisches überwiegt eindeutig, im Original mit Untertiteln. „Oprah“ oder „Dr. Phil“ sind Renner, was mutmaßen lässt, der Dörfler in Ägypten kenne sich in der Gesellschaftspolitik der USA schon besser aus als wir Europäer…Und die Filme: Bald nach dem Kinostart sind die Blockbuster bereits in den Sendern aus Dubai oder Kuwait zu sehen.
Wer Brüche sucht, findet sie bei den Werbeeinschaltungen, wenn wallendes Frauenhaar des westlichen Shampoospots auf die glückliche Kinder präsentierende Hausfrau mit Kopftuch trifft. Obwohl: Werbung transportiert auch den Wandel der Rollenbilder. Ein saudischer Scheich wechselt stolz Windeln.
Und Eigenproduktionen? Seifenopern bieten mit Gesellschaftskritik von Korruption bis Generationenkonflikt ein Ventil für den Frust. Magazin– und Nachrichtensendungen orientieren sich verstärkt an professionellen Standards. BBC lässt grüßen. Fast vermisst man die nur mit Ohrwürmern der Klassik unterlegten Staatsbesuche (Schwanensee!) ob ihrer unfreiwilligen Komik. Apropos: Als Betthupferl ist das omanische Sinfonieorchester mit seinen Posaune blasenden rot betuchten Damen zu empfehlen.
Eine Sommeridee: Gemeinsam fernzusehen und darüber zu diskutieren, könnte den häufig als zu abgehoben beklagten Dialog wohltuend entkrampfen.
FURCHE im September
Josephinisches Toleranzverständnis?
In Fresach im Kärntner Drautal steht das evangelische Diözesanmuseum – ein früheres „Toleranzbethaus“ wie sie Josef II. Nach Jahrzehnten der Zwangsbekehrung und Vertreibung den Evangelischen zur Religionsausübung gestattete. Sichtbarkeit durch echten Kirchenbau war freilich verboten, um die Dominanz des Katholischen durch Machtansprüche stellende (?) protestantische Kirchtürme nicht in Frage zu stellen. Der öffentliche Raum war über Jahrhunderte für die freie Religionsausübung eine Konfliktzone. Vom Sakralbau über das Abhalten von Prozessionen galt: „Wessen Land, dessen Religion“. Mit religiöser Vielfalt gelassen und offen umzugehen, wurde durch den Generalverdacht der Unterwanderung blockiert.
In diesem Licht die aktuelle Debatte um Moscheen und Minarette zu betrachten, mag helfen hitzige Stimmungsmache fern der Tagespolitik in einem historischen Kontext zu sehen. Wollen wir einen Rückfall in ein josephinisches Toleranzverständnis?
Auch wenn sich so manche österreichische Befindlichkeit aus der Geschichte heraus tiefer verstehen lässt, heißt das freilich nicht, Schlagworte wie „Verhinderung eines Kulturkampfes“, „Abwehr radikaler Kräfte“ oder „Reziprozität“ seien lediglich als eine Spiegelung tief sitzender alter Einstellungen abzutun.
Hier liegt die Aufgabe der Muslime, ihrerseits weiteres Vertrauen zu bilden. Gerade über Moscheebauten als soziale Knotenpunkte, die einen Dialog fördernden Geist der Offenheit ausstrahlen und sich in die Stadtplanung harmonisch einfügen, könnten Ängste abgebaut werden. In ihnen spiegelt sich auch der Grad dessen wider, wie sehr Muslime sich hier beheimatet fühlen und eigenständige „österreichische“ Gemeinden bilden – ein Prozess der viel mit Integration zu tun hat, auch innermuslimisch.
FURCHE im Oktober
Eine Zeit mit vielen Namen
Ramadan. Eine Zeit mit vielen Namen: Monat des Fastens, der Mäßigung, der Versöhnung, Monat des Korans, des sozialen Miteinanders, der guten Werke, Motor für den Rest des Jahres. Der Ramadan wird auch in Österreich in hohem Maße von den Muslimen eingehalten. Spätestens seit 9/11 hat er dabei eine zusätzliche Dimension erfahren, die in diesen Tagen besonders spürbar ist, wo Angst vor „Islamisierung“, vor angeblich im Islam angelegter Gewaltbereitschaft und dem „Artfremden“ Schlagzeilen schreiben.
Beim gemeinsamen abendlichen Fastenbrechen schildern viele Muslime wie befreiend es ist, gerade jetzt die Religion so intensiv zu feiern und zu leben. Auf einmal falle es leichter gelassen zu bleiben, während das böse Wort vom „Generalverdacht“ zirkuliert oder wenn manche den „Kampfanzug“ gegen den Islam anlegen wollen. Bewusstes Fasten ist eine Friedenserziehung. Hier wird ein Bogen gespannt von einer individuellen spirituellen Übung zur Verantwortung für ein soziales Miteinander in der Gesellschaft. Dieses selbstbewusste Handeln hilft, sich nicht in ein Rechtfertigungseck drängen zu lassen. Die gewonnene Kraft wird dringend gebraucht, geduldig am Dialog festzuhalten.
Eine Meldung des Ramadan zeigt das ganze Dilemma auf, in dem Muslime dabei stecken. Nicht die Initiativen interreligiös das Fasten zu brechen, noch die Grußbotschaften mit der Betonung gemeinsamer ethischer Werte erlangten Nachrichtenwert. In die Topnachrichten kam einmal mehr Al Qaida mit der grauslichen Drohung gegen den Westen, anlässlich des Ramadan eine „neue Offensive“ starten zu wollen. Wie solche hier scheinbar manifestierten Unverträglichkeiten Islam – Westen wieder auflösen? Das geht nur gemeinsam, mit differenzierender Vernunft und Offenheit füreinander.
FURCHE im November
„Verschlagene Orientalen“
Wer redet schon gerne von einem Generalverdacht gegen Muslime? Wäre aber Misstrauen nicht angebracht, sollten Muslime systematische Täuschung angeblich auf Befehl ihrer Religion betreiben? „Takiya“ ist das neue Modewort, das scheinbar fachmännisch einen willkommenen Überbau bietet, jede Aussage von Muslimen als Lüge zu bezeichnen. Reminiszenzen an den „verschlagenen Orientalen“ werden analog zum Antisemitismus wach.
Dabei ist Lügen im Islam ausdrücklich verboten. Die Takiya dagegen ist jener Schutz, den Muslime in höchster Not beanspruchen können, wenn sie z.B. unter Folter mit dem Tode bedroht wären. Weil das Leben als kostbarstes Gut gilt, soll – falls die Rettung - sogar dem Islam abgeschworen werden. Der erfolgte Zwang hebt das Gesagte automatisch auf.
Sich als Entlarvungsseiten gerierende Homepages bieten die absonderlichsten Auslegungen des Islam als dessen wahre Lehre an. Wer auch immer Dialog als ohnehin sinnloses Unterfangen zu degradieren sucht, findet hier reichliches Material. Minarette gelten auf einmal als „Herrschaftsanspruch“. Beweis ist ein nationalistisches türkisches, kaum dreißig Jahre altes Gedicht, aber keine religiöse Quelle – die man dafür auch nicht finden würde.
Hier liegt eine neue Aufgabe für die interreligiöse Zusammenarbeit, besonders wünschenswert unter Einbeziehung der jüdischen Seite. In der Abwägung eher dubiosen Hassschriften nicht noch ein Forum zu geben oder sie seriös zu analysieren und damit zu „entzaubern“, spricht angesichts des Grades, wie Scheinargumente zunehmend Eingang in den Mainstream finden, mehr für die zweite Option. Setzen sich Muslime daneben einmal mehr mit einigen „heißen Eisen“ auseinander, sei dies ein willkommener weiterer Effekt.