Moscheedebatte in Österreich: Bericht über die Veranstaltung vom 12.06.2008
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Bad Vöslau: Moscheedebatte beruhigt sich
Moschee soll nach Mediationsverfahren Ende des Jahres fertiggestellt werden
Wien, 13.6.08 (KAP) Das Mediationsverfahren für einen Moscheebau in Bad Vöslau kann "Vorbildcharakter für ganz Österreich" haben. Das wurde bei Diskussionsveranstaltung der Plattform "Christen und Muslime" am Donnerstagabend in Wien festgestellt. Für die zum Teil hitzig geführte "Moscheebaudebatte" in Bad Vöslau hatte man sich schließlich auf ein Mediationsverfahren geeinigt. Dieses habe mit einem für alle Beteiligten "tragbaren Kompromissvorschlag" geendet, hieß es bei einem "Jour Fixe" zum Thema "Moscheen und Gebetsräume in Österreich" in der Islamischen Religionspädagogischen Akademie (IRPA) in Wien
Im Juni des Vorjahres war das Projekt eines türkischen Kulturzentrums mit Gebetsraum und Schulungsräumen in Bad Vöslau der Öffentlichkeit präsentiert worden. Die Kosten wurden damals mit rund einer Million Euro beziffert; Baubeginn war im Frühjahr 2008, die Fertigstellung ist für Herbst dieses Jahres geplant.
Christoph Prinz, Bürgermeister von Bad Vöslau, berichtete bei der jetzigen Veranstaltung aus erster Hand vor Mitgliedern der Islamischen Glaubensgemeinschaft sowie Mitgliedern der Plattform "Christen und Muslime" über die rund zwei Jahre andauernde Debatte in Bad Vöslau. Die Verhandlungen mit dem Betreiber des Bauvorhabens, dem Verein ATIB (Union der türkisch-islamischen Kulturvereine), seien von gegenseitiger Rücksichtnahme und beidseitiger Kompromissbereitschaft geprägt gewesen, so Prinz. So habe ATIB bereits nach kurzer Zeit von dem ursprünglichen Plan wieder Abstand genommen, eine Moschee mit zwei Minaretten von bis zu 30 Meter Höhe bauen zu wollen.
In einem moderierten Mediationsverfahren habe man mehrere Entwürfe durchgesprochen und sich schließlich auf einen Entwurf geeinigt, der einen modernen Bau vorsieht, der von seiner Höhe her den Nachbargebäuden angeglichen ist. Die Minarette werden nach derzeitigem Planungsstand aus Glas gefertigt und überragen den Hauptbau mit rund 14 Meter Höhe nur um wenige Meter.
Wie Prinz weiter berichtete, sei die Debatte von Medien aufgeheizt worden; Folgen waren eine "künstliche Skandalisierung" und eine Unterschriftenaktion gegen den Moscheebau, die schließlich von mehr als 1.300 Menschen unterschrieben wurde. "Für einen Bürgermeister, der den sozialen Frieden ineiner kleinen Gemeinde bewahren muss, ist das eine schwierige Ausgangssituation für Verhandlungen", so Prinz. Das anschließende Mediationsverfahren, an dem alle politischen Parteien sowie eine freie Bürgerliste beteiligt waren, konzentrierte sich laut Prinz schließlich auf die Frage der Optik des Moscheebaus sowie auf die Frage der Integration in Bad Vöslau. "Für uns war das mit einem 'Aha'-Erlebnis verbunden, da wir festgestellt haben, dass wir das Thema Integration in Bad Vöslau ganz neu anpacken müssen", betonte der Bürgermeister. Mittlerweile gebe es bereits erste Projekte zur Verbesserung der Integration wie etwa Sprachkurse.
Die unmittelbare "Moscheedebatte" habe sich in Bad Vöslau mittlerweile beruhigt, so Prinz. "Die Bevölkerung und die Beteiligten können mit dem jetzigen Plan leben", selbst die anfänglich auf verschiedenen Internetplattformen weiter geführte Debatte sei weitgehend verstummt.
"Geht um Präsenz des Islam in Österreich"
In der Debatte waren sich die Beteiligten einig, dass die Frage der Höhe der Minarette sowie die Höhe der Moscheekuppel letztlich nur ein Symptom einer tieferen Fragestellung nach der Präsenz des Islam in Österreich sei. So meinte Mouddar Khouja von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), dass ein Minarett zwar nicht zwingend zu einer Moschee gehöre, da der Bau eines Minaretts geschichtlich mit der Frage der akustischen Vernehmbarkeit des Muezzins zusammenhing, dennoch habe das Minarett heute gerade in Europa einen für Muslime hohen symbolischen Wert. "Ein Minarett demonstriert, dass wir in dieser Gesellschaft angekommen sind", so Khouja, es gehe dabei jedoch "eindeutig nicht um eine Machtdemonstration".
Zustimmung kam auch vom Integrationsbeauftragten der IGGiÖ, Omar Al-Rawi. Minarette drückten die "Sehnsucht der Muslime aus, sichtbar im jeweiligen Land zu sein". Es sei daher "frustrierend", so Al-Rawi, wenn die Eindeutigkeit der Moschee zugunsten des Begriffs des "Kulturzentrums" in den Hintergrund gedrängt werde.
Für ein offeneres Auftreten der Muslime in Österreich sprach sich auch Tarafa Baghajati von der IGGiÖ aus. "Warum müssen wir immer von einem Kulturzentrum sprechen, warum sagen wir nicht eindeutig, was wir wollen: Wir wollen eine Moschee", so Baghajati. Das Mediationsverfahren von Bad Vöslau habe deutlich gezeigt, dass durch einen intensiven Dialog mit allen Beteiligten und durch Einbindung der Bevölkerung Vorurteile abbaubar sind und gemeinsam eine Lösung gefunden werden kann. Zugleich bedürfe es jedoch auch einer "Entnationalisierung der Moscheen", so Baghajati. Gegenseitige Vorurteile und Verdachtsmomente würden oftmals durch die Verkettung von Religion und Nationalität entstehen, daher liege es an den Muslimen in Österreich, sich "eindeutiger als österreichische Muslime zu deklarieren" und auch den Moscheen den durch Herkunft geprägten "nationalen" Charakter zu nehmen.
"Kulturelles Tiefengedächtnis ernst nehmen"
Der Publizist und Präsident des Katholischen Akademikerverbandes Österreichs, Paul Schulmeister, betonte ebenfalls die Möglichkeit, die Struktur des koordinierten und moderierten Mediationsverfahrens "auf möglichst vielen Ebenen" österreichweit einzurichten, um zu einem breiteren gegenseitigen Verständnis beizutragen. Mit Sorge beobachte er eine derzeitige "Verhärtung der Fronten in Österreich", der nur durch "Klarheit der Positionen und beidseitige Empathie" begegnet werden könne. Vorbehalte gegenüber dem Islam sollten offen geäußert und angesprochen werden; die Muslime seien wiederum aufgefordert, diese Vorbehalte, die zum Teil aus dem "österreichischen kulturellen Tiefengedächtnis" stammen und mit Begriffen wie der "Türkenbelagerung" verknüpft sind, ernsthaft aufzugreifen.
Dem katholischen Publizisten Heinz Nußbaumer zufolge stellt die soziale Frage noch immer eines der zentralen Probleme im Blick auf die Akzeptanz des Islam in Österreich dar. In der öffentlichen Wahrnehmung existiere der Islam in den "sozialen Extremformen der Armut oder in Form superreicher Scheichs". Sozial sei der Islam noch nicht in der Mittelschicht und damit auch noch nicht ganz in Europa angekommen, so Nußbaumer. Dieser soziale Aspekt produziere wiederum starke Vorurteile und sei durch Diskussionen allein nicht auszuräumen (weitere Informationen im Internet: www.christenundmuslime.at).
O-Töne der Diskussion sind in Kürze unter www.katholisch.at/o-toene abrufbar. (ende)
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