Wir sind alle gefordert: Replik auf Ednan Aslan „Die Migranten sind gefordert“
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Die Behauptung von Ednan Aslan, „dass bei der Diskussion um Integration eigentlich sehr oft die Muslime gemeint sind“, hat was an sich. Und dass „Deutsch und eine gute Ausbildung eine große Voraussetzung sind, aber am Ende allein nicht genügen“, ist angesichts fehlender Chancengleichheit in der Realität Fakt. Die große Herausforderung für uns ist jene, dass der Großteil der Muslime den Aufstieg in die Mittelschicht schaffen muss, aus der Armutsspirale herauskommen und die Sozialsegregation überwinden muss.
Die Versachlichung der Diskussion ist immens wichtig, um der Populismusfalle zu entrinnen. Doch Rationalität allein ist keine Lösung, weil die emotionale Ebene nicht außer Acht gelassen werden kann. Die Menschen vor Ort sind an einer funktionierenden Nachbarschaft interessiert. Am Einhalten der Hausordnung, gegenwärtig in Punkten wie Mülltrennung, Einhalten von Ruhezeiten und der Sauberkeit der Hausanlage. Das Miteinander am Spielplatz und nicht das Verdrängen von Kindern durch Gruppen ist Mietern wichtig. Eine abgehobene Wertedebatte spielt dabei eine Nebenrolle. Menschen vor Ort wollen miteinander reden und kommunizieren und sich freundlich grüßen. Dabei ist ihnen ein Piercing, Bauchleiberl oder Kopftuch völlig egal. Sie wollen ein ordentliches Umfeld, saubere und sichere Umgebung und eine lebenswerte Stadt.
Die Behauptung, dass die Politik nach dem Motto „Wir kämpfen für eure Rechte, bleibt, wo ihr seid!“ agiert, ist eine falsche Wahrnehmung. Wir investieren in Wien seit Jahren in Deutschkurse und haben das Gratiskindergartenjahr für heuer eingeführt. Die Stadt hat die Vielfalt als Chance erkannt und eine Magistratsabteilung für Integrations- und Diversitätsangelegenheiten geschaffen. In Bezirken mit erhöhtem Migrationsanteil wie rund um den Brunnenmarkt wurde in die Infrastruktur investiert und in die Revitalisierung der Wohnhäuser Geld gesteckt. Für die Beseitigung von Nachbarschaftskonflikten wurde die Gebietsbetreuung ausgeweitet und die Schaffung von Ordnungsberatern und Mediatoren beschlossen. Mit 220.000 Gemeindewohnungen sorgen wir für einen funktionierenden sozialen Wohnbau auf hohem Niveau. 90% aller neuen Wohnbauten sind gefördert, und 60% aller Wiener wohnen in einem geförderten Wohnbau.
Das renommierte Beratungsunternehmen Mercer untersuchte 215 Großstädte anhand von 39 Kriterien. Diese bilden weite Bereiche der städtischen Lebensqualität – von politischer und ökonomischer Stabilität, Sicherheit, Sauberkeit, Daseinsvorsorge bis hin zum Wohnungsmarkt – ab. Die neueste Ausgabe dieser Studie zeichnet Wien als lebenswerteste Stadt der Welt aus, womit Zürich als Seriensieger der letzten sieben Jahre vom Thron gestoßen wurde.
Querschnittsmaterie
Ein ungewöhnlich hohes Maß an interner Stabilität, gesellschaftlichem Zusammenhalt, guten Krankenhäusern, medizinischer Versorgung, Wasserqualität, Abfallbeseitigung und Abwasserentsorgung waren nur einige Punkte, warum Wien diesen Rang bekommen hat. Wieso junge Menschen, die hier aufgewachsen sind und in die Schule gegangen sind und die deutsche Sprache sehr gut beherrschen, jeden Tag ein Stück Freude an der Gesellschaft verlieren, wie Ednan Aslan behauptet, ist angesichts solcher Daten nicht nachvollziehbar.
Integration ist gewiss eine Querschnittsmaterie, die sicher ein eigenes Ressort bzw. Staatssekretariat braucht. Hier hoffe ich, dass Aslan seine sehr guten Kontakte zur ÖVP benützt, um sie von der Notwendigkeit eines solchen Schrittes zu überzeugen. Wir machen Politik für die Menschen und möchten uns der Sorgen der Wiener annehmen und deren Probleme lösen. Wir bekennen uns zu einer pluralistischen Gesellschaft und sind für eine lebenswerte Stadt, in der Regeln und Ordnung gelten. Wir sind aber auch gegen jede Form von Verhetzung und Ausgrenzung. Und wir gehen auch auf die Bedürfnisse von Minderheiten ein. Wir wollen aber, dass die Menschen uns wegen unserer Politik und der Leistungen als Ganzes wählen.
Denn Sozialleistungen, funktionierende Schulen, Gesundheitsversorgung und leistbares Wohnen kommen allen Menschen zugute. Und wir verlassen uns nicht bei unseren Wahlerfolgen auf Bittgebete oder Huldigungen, wie es Aslan behauptet. Denn selbst Huldigungen, Bittgebete, das Vertrauen der Menschen und schließlich ihre Stimme bei Wahlen zu bekommen muss man sich zuerst einmal erarbeiten und letztendlich verdienen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2009)