„Super-Imam“ gibt es nicht

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Tuesday, 10 April, 2012
„Super-Imam“ gibt es nicht

10.04.2012 | 18:25 | TARAFA BAGHAJATI (Die Presse)

Imame müssen vor allem die Sprache der Gemeinde beherrschen. Welche Predigtsprache, ist zweitrangig.

Was ist eigentlich ein Imam? In der islamischen Welt sind Imame Menschen, die Gemeinschaftsgebete fünf Mal am Tag leiten und/oder am Freitag die Predigt öffentlich in den Moscheen halten. Vielerorts sind Imame Angestellte der jeweiligen Religionsbehörden und damit Teil eines Systems, das an einer gesellschaftskritischen Haltung nicht interessiert ist.

In Österreich werden Imame in der Regel über die Vereine aus den Ursprungsländern nach Österreich gebracht. Ihr spezielles Seelsorgevisum hält sie zwar außerhalb der Zuwanderungsquote, bedingt aber auch eine Art „Durchreisestatus“, da keinerlei Aussicht auf Daueraufenthalt besteht – mit entsprechenden negativen Folgen für die Integration.

Nicht selten sind Imame die einzige greifbare religiöse Quelle und genießen entsprechende Autorität. Ihre Freitagspredigten geben Geborgenheit und religiöse Orientierung. Gleichzeitig wäre es vermessen, von jedem Imam zu erwarten, zugleich Seelsorger, Jugendexperte, Sozialarbeiter, Integrationsaktivist, Frauenrechtler, Antiterrorexperte und Psychologe zu sein! Diese Utopie des „Super-Imam“ gewinnt zwar zunehmend Kontur, doch kann auf diesem Wunschdenken kein System aufgebaut werden.

Der Imam muss unbedingt die Sprache der Gemeinde beherrschen, ihre Traditionen kennen und ihre Bedürfnisse fühlen. Er sollte nicht engstirnig nach einer einzigen Rechtsschulauslegung buchstäblich argumentieren, sondern für eine Vielfalt an Meinungen und Auslegungen offen sein, insbesondere wenn es um Frauen- und Menschenrechte geht.

Deutsch als Predigtsprache

Die von Imamen linguistisch verwendete Sprache ist völlig zweitrangig. Der Inhalt, nicht die gewählte Sprache zählt. Diese sollte möglichst viele erreichen, weshalb Deutsch angesichts einer wachsenden Zahl Jugendlicher, die besser Deutsch als die Sprachen ihrer Vorfahren können, ohnehin immer wichtiger wird.

Deutsch als Predigtsprache gewinnt als gemeinsame sprachliche Basis bei verschiedener Herkunft an Gewicht. Mit der Sicherheits- und Integrationsdebatte hat die Sprachverwendung nichts zu tun. So kommunizieren jene Gruppierungen, auf die der deutsche oder österreichische Verfassungsschutz ein Auge hat, auf Deutsch.

Auch der Ausbildungsort der Imame ist nicht von erstrangiger Bedeutung. Zwischen Europa und anerkannten Bildungsstätten in der islamischen Welt könnte es zu einem höchst befruchtenden Austausch kommen. Die angestrebte theologische Fakultät in Österreich ist diskussionswürdig. Den Imamemangel wird sie nicht abstellen können. Denn wie sollten sich Absolventen mit Mastergrad bei der derzeitigen dürftigen Bezahlung eine Zukunft aufbauen?

Nicht selten haben Akademiker anderer Richtungen ebenfalls eine theologische Ausbildung außerhalb der Universität abgeschlossen und agieren ehrenamtlich als Imame. Auch diese spezifisch islamische Variante sollte nicht ausgeblendet werden, weil gerade von diesen im Berufsleben integrierten Personen Impulse ausgehen.

Tarafa Baghajati, Obmann der Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen, hält Freitagspredigten in verschiedenen Moscheen Wiens als ehrenamtlicher Imam; er predigt je nach Moschee auf Arabisch und Deutsch.


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