Prävention vor Radikalisierung
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Syrien braucht keine Kämpfer aus Europa. Dschihad - die Anstrengung für die gerechte Sache auf dem Weg Gottes - liegt nicht im Kampfeinsatz.
Gastkommentar
Von Carla Amina Baghajati
Ob jüngste Meldungen über Gräueltaten der Isis-Extremisten im syrischen Bürgerkrieg potenziellen Dschihad-Touristen die Augen öffnen könnten? Oder dass sich diese und ähnliche Gruppierungen gegenseitig umbringen? Es ist kein Zufall, dass sich vor allem Leute anwerben lassen, die von den Hintergründen im Land keine Ahnung haben. Extremisten kämpfen nur für sich selbst und daher auch gegen die oppositionellen Rebellengruppen. Bashar al-Assad kann das nur recht sein. Erwiesen ist, dass er Al-Kaida-nahe Gefangene freiließ, um den Aufstand gegen sich als "Terror" zu diskreditieren. Angesichts des Stillstands der Politik gegenüber dem Elend von Millionen vertriebenen Syrern und tausenden Toten steht zu fürchten, dass diese zynische Strategie aufgeht - und erst recht den Extremisten Kampfwillige in die Arme treibt, die angesichts der Lähmung der Weltöffentlichkeit Taten setzen wollen.
In Österreich hört man, dass gezielte Rekrutierungen von der einen oder anderen Örtlichkeit ausgehen. Warum der Verfassungsschutz hier nicht längst eingegriffen hat, ist schwer erklärlich. Will man die Szene so besser kontrollieren? - Aber was bringt es nur zuzusehen, wie junge Menschen gehirngewaschen und instrumentalisiert werden. Noch immer ungeklärt ist etwa das Schicksal der beiden Wiener Schülerinnen, die dort radikalisiert wurden.
Bei den Methoden der Gehirnwäsche geht es mehr um Psychologie als um Theologie. Angezogen werden meist noch unreife Menschen, die in ihrem Leben oft wenig Wertschätzung erfahren haben. Meist stammen sie aus Ländern, die in jüngster Vergangenheit selbst traumatische Erfahrungen in gewaltvollen Konflikten machten. Emotionen werden geweckt, die erst einmal rundum gut, ja edel erscheinen: Gerechtigkeitssinn, Eintreten für Unterdrückte und Verfolgte, persönliche Opferbereitschaft im Interesse eines hehren Ideals. Dabei wird vermittelt, nur die Gruppe besitze den Schlüssel zur Wahrheit und die einzig richtige Handlungsstrategie. Ist diese Stufe einmal erreicht, kann man an die Leute kaum mehr herankommen. Vergleichbar mit der eingeschränkten Wahrnehmung von Sektenmitgliedern können sie alles nur mehr in ihren Schablonen sehen. Muslime, die ihnen theologisch noch so begründet auseinandersetzen, warum ihr Dschihad-Konzept gegen islamische Werte verstößt, können nicht mehr zu ihnen durchdringen - sie werden bestenfalls als "Heuchler", wenn nicht gleich "Ungläubige" gesehen und Feiglinge obendrein.
Die Opposition in Syrien braucht keine Kämpfer aus Europa. Dschihad - Anstrengung für die gerechte Sache auf dem Weg Gottes - aus Europa liegt nicht im Kampfeinsatz. Gebraucht wird humanitäre Hilfe, politisches Argumentieren und Solidarität mit dem Streben des syrischen Volkes nach Freiheit und Demokratie. Dieser intellektuelle und finanzielle persönliche Aufwand ist Dschihad!
Die missbräuchliche Verwendung des Dschihadbegriffs aus den Händen einiger weniger, aber dafür sehr lauter Gruppen zu nehmen, die momentan alle damit verbundenen Zerr- und Schreckbilder im Westen zu bestätigen scheinen, ist ein großes Anliegen der breiten Basis der Muslime. Hier ist es gerade die Jugend, die sich zum Beispiel im Rahmen des islamischen Religionsunterrichts entschieden zu Wort meldet: "Krieg kann nicht heilig sein!" Das gibt Hoffnung. Mehr noch zeigt es einen Weg auf, wie über islamische Bildung eine Art Immunisierung gegen das aggressive Gedankengut der radikalen Sekten stattfinden kann.
ReligionslehrerInnen sollen nun noch besser vernetzt arbeiten und durch Fortbildung speziell für diese neue Herausforderung trainiert werden. Schon jetzt können erste Anzeichen eines Abdriftens ins Fahrwasser radikaler Gedanken besonders gut im Rahmen des Religionsunterrichts erkannt werden. Hier muss man ansetzen, um gleich zu reagieren. Denn zu diesem Zeitpunkt besteht noch eine sehr gute Chance die jungen Leute davon abzuhalten ihr Leben zu ruinieren.
Die Islamische Glaubensgemeinschaft ist darüber hinaus Anlaufstelle für viele Menschen, die sich zum Thema aussprechen wollen. Dieses Angebot wollen wir ausdrücklich bekräftigen, weil wir hier gute Erfahrungen machen, Hilfestellung anbieten zu können. Für die innere Bewusstseinsbildung ist das ebenso wertvoll wie die klare Linie, die gegen Radikalisierungstendenzen von den Moscheen ausgeht.