"Die Imame tun viel gegen extremistisches Gedankengut"-Wiener Zeitung

Diese Homepage wurde mit einem neuem CMS aufgesetzt und befindet sich daher in Arbeit ...

Wednesday, 1 October, 2014
"Die Imame tun viel gegen extremistisches Gedankengut"-Wiener Zeitung

Carla Amina Baghajati von der Islamischen Glaubensgemeinschaft will Jugendliche "vor der Gehirnwäsche" abholen

Von Arian Faal

Wien. Nach der islamfeindlichen Aktion rund um eine Moschee, bei der Schilder überklebt wurden, ist die Islamische Community in Wien beunruhigt. Zu lesen war unter anderem "Shariagasse" und "IS-Rekrutierung". Für Carla Amina Baghajati, Medienbeauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), ist die Aktion besorgniserregend. Die derzeitige Stimmung pauschaler Verdächtigung schüre ein Klima des Misstrauens, sagt sie im Interview.

Wiener Zeitung: In dieser Woche gab es eine Klebeaktion rund um das Islamische Zentrum in Floridsdorf. Dabei wurden islamfeindliche Parolen verbreitet. Sind Aktionen wie diese Vorboten darauf, dass die Islamfeindlichkeit hierzulande rasant zunimmt?

Carla Amina Baghajati: Diese Aktion ist tatsächlich besorgniserregend. So wie es im Alltag starke Emotionen gibt, können diese manchmal in offene Islamfeindlichkeit umschlagen.

Hat man hier präventive Maßnahmen verabsäumt?

Wenn ich daran denke, wie viel wir im Dialogbereich in den letzten Jahren gemacht haben, dann hege ich Hoffnung, dass es etwas bringt.

Die Aktivitäten des österreichischen Armes des IS (Islamischer Staat, Anm.) lassen derzeit aber wenig Hoffnung zu.Wie konnte diese so mächtig werden? Warum ist gerade Österreich im Brennpunkt?

IS hat sich in den vergangenen zwei Jahren ausgebreitet, während die Welt zusah. In der verworrenen Situation in Syrien kämpften sie auch gegen jene Rebellen, die sich Demokratie anstatt der Assad-Diktatur wünschen. Diese Oppositionsbewegung erfuhr keinerlei Unterstützung durch den Westen. Österreich liegt geografisch günstig.

Bleiben wir bei Österreich: Wie viele Vereine und Moscheengemeinden vertritt die IGGiÖ?

Es gibt 205 registrierte Moscheen.

Das heißt, die IGGIÖ vertritt nicht alle Vereine, denn 273 Vereine haben neulich eine Erklärung gegen den Terrorismus unterschrieben. Wie viele haben das nicht getan?

Leicht erreichbar sind die großen Dachverbände. Rein organisatorisch kann es passieren, dass ein kleiner Verein nichts von der Aktion mitbekommen hat.

Warum nicht?

Wir finden es ungerecht einen Umkehrschluss zu versuchen, dass Vereine, die nicht unterschrieben haben mit IS sympathisierten und gefährlich seien. Die derzeitige Stimmung pauschaler Verdächtigung schürt ein Klima des Misstrauens, das den gesellschaftlichen Frieden gefährdet. Über jene Örtlichkeiten, von denen wir wissen, dass eine Gefährdung ausgeht, schweigen wir nicht.

Wie entwickelt sich die Salafisten-Szene in Österreich? Ist sie der Hort der Radikalisierung?

Salafisten von vornherein als terroraffin hinzustellen ist unredlich. Sie sind ultraorthodox und bei ihrer Auslegung träumen sie sich in eine Frühzeit des Islams zurück. Gerade Muslime sind intern auch sehr kritisch, etwa welches rückwärtsgewandtes Frauenbild sie propagieren. Aber ihnen prinzipiell Gewaltbereitschaft zu unterstellen, ist falsch. In Österreich haben wir keine mit Deutschland vergleichbare Salafisten-Szene. Das hängt auch damit zusammen, dass die Szene dort ein Sammelbecken für sich ausgegrenzt fühlende Muslime ist, denen die Boxkampf-Rhetorik gefällt. Durch den Anerkennungsstatus des Islams in Österreich ist die Stimmung hier anders und bietet keinen Nährboden für eine "Schariapolizei". Salafistenprediger aus Deutschland fanden in Österreich keinen Verein, der ihnen die Tür zum Predigen geöffnet hätte.

Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt?

Um eine bessere Differenzierung zu erreichen, bietet es sich an, von Salafisten als die "Ultraorthodoxen" zu reden, und von Salafisten als jene, die in den Extremismus gleiten und auch zu Gewaltbereitschaft neigen.

Wie geht man mit bosnischen Wahhabiten um, die laut Berichten in einer Moschee im 12. rekrutieren?

Vertreter eben dieser waren bei einem durch die IGGiÖ organisierten Treffen der Vereine dabei und haben sich gegen diese Vorwürfe gewehrt. Dieses Treffen fand im Rahmen des neu gegründeten Netzwerkes der Stadt Wien statt - mit Jugendanwalt Ercan Nik Nafs. Sie unterstrichen ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit gegen extremistische Tendenzen.

Was tut die IGGiÖ, um den Aktivitäten des IS in Österreich Einhalt zu gebieten?

Es gibt ein Maßnahmenpaket, das wir als "Herbstprogramm" gerade umsetzen. Darüber hinaus läuft die Zusammenarbeit mit verschiedenen Ministerien sehr gut. Prävention ist das, wo wir am meisten tun können. Wir können besorgte Angehörige gefährdeter Jugendlicher helfen, und versuchen, diese möglichst vor einer "Gehirnwäsche" zurückzuholen.

Wie sehen Sie die Rekrutierung der Jugendlichen durch IS, was kann ihre Glaubensgemeinschaft tun?

Jugendliche haben die Rekrutierungspropaganda als "Virus" bezeichnet. Sie sind auch die ersten, die mithelfen wollen, gegenzusteuern und im direkten Kontakt mit Gleichaltrigen die Propaganda aufzubrechen. Uns muss klar sein, dass es nicht allein um ein "muslimisches" Thema geht. Betroffen können auch Jugendliche der Mehrheitsgesellschaft sein, die sich von geschulten und organisierten Manipulatoren anziehen lassen.

Was kann der Religionsunterricht beitragen, um Gewaltbereitschaft einzudämmen?

Religionsunterricht ist an sich ein Immunisierungsprogramm gegen Extremismus. Wichtig ist der Hinweis auf den Missbrauch der religiösen Begriffe wie Dschihad oder bestimmter aus dem Zusammenhang und historischem Kontext gerissenen Koranzitaten.

Stehen Sie mit den Imamen in Kontakt?

Ja, die Imame tun viel, um die muslimische Basis zu erreichen und sich klar gegen extremistisches Gedankengut zu positionieren.

Werden diese in ihren Freitagspredigten ein Machtwort sprechen?

Ja, das geschieht immer wieder. Gott will keine Menschenopfer! Das Leben eines jeden Menschen ist das kostbarste Gut, das wir schützen müssen.

Warum gibt es da keine Fatwa oder Distanzierung von IS?

Es ist selbstverständlich, dass die Taten des IS Verbrechen sind. Jeder verurteilt das in seiner Khutba (Predigt, Anm.).

Was sagen Sie zu dem Islam-Kritiker Hamed Abdel-Samad?

Abdel-Samad wird derzeit von allen Medien hofiert. Dabei ist er nur ein deutscher Islam-Wissenschafter, der von der Situation in Österreich keine Ahnung hat.

Was sagen Sie zu seiner Einstellung, dass der Islam per se faschistoid sei?

Diese Terminologie stammt von radikalen Islamhassern aus der Zeit nach 9/11. Dies ist eine schandhafte Art der Hetze gegen den Islam, die wir auf das Schärfste zurückweisen.

 

 

Schlagworte