Heilsames aus dem Schatz der islamischen Überlieferung

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Text für  den islamischen Gebetsraum im AKH anlässlich der „Langen Nacht der Kirchen und Gebetsräume“

Juni 2005

Muslime haben ein sehr ganzheitliches Verständnis ihrer Existenz. Sie wissen, dass sie hier auf Erden einen Körper haben, ein Ego mit Bewusstsein, aber auch eine Seele, die ewig ist und im Laufe ihres Daseins verschiedene Stadien durchläuft. All diese Teile, die einen Menschen ausmachen, haben Bedürfnisse und der Zustand jeder einzelnen „Ebene“ beeinflusst auch die anderen.

Der Körper und die Existenz die wir haben, sind jedoch nach islamischem Verständnis nicht unser Eigentum, sondern nur eine Leihgabe des einen, einzigen Gottes, den wir entsprechend dem Koran auf Arabisch „Allah“ nennen, wie übrigens arabische Christen auch. Er hat uns das Leben als wertvollstes aller Geschenke in unsere Obhut gegeben und es liegt in unserer Verantwortung, wie wir damit umgehen. Das Erdendasein ist ein Ort der Prüfungen und Herausforderungen.  

Deswegen hat unser Prophet Muhammad (s.s.) uns nicht nur Anweisungen gegeben, wie wir den spirituellen Teil unseres Lebens gestalten sollen, sondern auch zahlreiche praktische Tipps, was wir tun sollen, um uns gesund zu erhalten. Außerdem hat er uns mit Nachdruck empfohlen, uns behandeln zu lassen, wenn wir krank sind. Denn Gott hat gegen jede Krankheit, die Er erschaffen hat, auch ein Heilmittel erschaffen. Heilung kommt dabei nur von und durch Gott. Heilmittel, Medizin und Arzt sind Seine „Werkzeuge“.  

Heilung für die Seele bringt aus muslimischer Sicht der aufrichtige Glaube an Gott. Deswegen ist im Koran selbst, wenn von Krankheit die Rede ist, dies immer metaphorisch, sinnbildlich zu verstehen und der Koran wird als Heilung bezeichnet, weil er als  ein Wegweiser für das Seelenheil verstanden wird.  

Das Ego braucht für seine Gesundheit Selbsterziehung, nur dann kann es fortschreiten und sich entwickeln. Erzieherische Aspekte bzw. Hilfe zur Selbsterziehung stellen im Islam u.a. die gottesdienstlichen Handlungen dar, nämlich das Gebet (das zur Pünktlichkeit und Verlässlichkeit anhält, das Fasten (das eine Übung in Enthaltsamkeit und Selbstdisziplin ist), und die Zakat, die religiös-soziale Pflichtabgabe aus unserem Vermögen (durch die wir uns in der Solidarität mit den ärmeren Menschen, im selbstlosen Teilen und in Großzügigkeit üben). Soweit nur einige wenige Beispiele.  

Wie eingangs schon erwähnt, gibt es in der islamischen Überlieferung ganz spezielle Tipps zur Gesunderhaltung des Körpers bzw. zu dessen Heilung.  

Hygiene

Allen voran soll die Hygiene genannt werden. „Sauberkeit ist die halbe Religion“ lautet eine bekannte und wichtige authentische Überlieferung. Ein Muslim ist religiös dazu verpflichtet, nicht nur sich selbst, sondern auch seine gesamte Umgebung und Umwelt sauber zu halten. Wasser und die Sauberkeit des Wassers spielt dabei eine besondere Rolle, denn Wasser ist nicht nur die Grundlage des Lebens – ohne Wasser kann der Mensch nicht lange überleben –  sondern der Muslim braucht es auch für die Reinigung, um seine rituellen Gebete verrichten zu können. Dabei wird der Körper gesäubert und symbolisch wäscht man sich auch von Vergehungen rein. Der Prophet Muhammad (s.s.) hat ebenso verlangt, sich nach dem Gang auf die Toilette mit Wasser zu reinigen.  

Empfohlen hat er auch,  sich vor und nach dem Essen die Hände zu waschen und nach jedem Essen mit einem sogenannten „Miswak“ (eine Art hölzerner Zahnbürste aus einem Zweig des Pelu- oder Arakbaumes) die Zähne zu reinigen. Durch Untersuchungen in den 80er-Jahren wurde festgestellt, dass diese Hölzer einen hohen Fluoridgehalt aufweisen. Überdies enthalten die Miswak-Hölzchen Calciumsulfate (dienen als Putzkörperchen), Tannine (straffen Zahnfleisch und festigen Magenschleimhaut)  und Saponine (schmutzlösend). Im Gegensatz zur konventionellen Zahnbürste kann das „Miswak“ jederzeit und überall benutzt werden. Weil es aus sich heraus antiseptisch ist, und bereits alle Bestandteile zur Zahnreinigung enthält, braucht man keine Zahnpasta und das „Miswak“ benötigt keine Reinigung. Weil seine Borsten parallel zur Bürstenrichtung verlaufen, erreicht es leichter die Zahnzwischenräume als konventionelle Zahnbürsten.

„Ihr sollt euren Mund reinigen, denn dies ist der Weg für die Lobpreisung Gottes“, sagte der Prophet Muhammad. Mundhygiene ist für uns heute Normalität –  man darf aber nicht vergessen, dass der Ratschlag des Propheten fast 1400 Jahre alt ist und aus einer Zeit stammt, wo es alles andere als selbstverständlich war, sich regelmäßig die Zähne zu putzen.

Ernährungsempfehlungen

Im weitesten Sinne kann man einige Ernährungsempfehlungen auch als Hygiene, nämlich als „innere“ Hygiene bezeichnen. Etwa das koranische Verbot des Alkohols und überhaupt aller berauschenden und das Bewusstsein trübenden Drogen. „Was in großen Mengen berauscht, ist auch in kleinen Mengen verboten.“ So ein Ausspruch des Propheten (s.s.). Der Mensch soll sich nicht in einen Zustand versetzten, in dem er nicht mehr genau weiß, was er tut und womöglich Handlungen setzt, durch die er seine eigene Würde verletzt, die er hinterher bereuen müsste und durch die er sich selbst oder anderen Schaden zufügen könnte. Den Muslimen sind aber entsprechend dem Koran alle „guten und reinen Dinge (als Nahrung) erlaubt“ (Sure 5, Vers 4 und 5). Die Einhaltung der Speisevorschriften ist für Muslime ein Weg zu innerer und äußerer Reinheit und Gesundheit, die am besten durch die Befolgung der Anweisungen Gottes erreicht werden kann.

Der Prophet Muhammad hat im Zusammenhang mit der Ernährung einige ganz allgemeine praktische Hinweise gegeben, die für alle Menschen interessant sind.

Einige Beispiele:

Er hat empfohlen, beim Essen die Schuhe auszuziehen, denn dann hätten die Füße mehr Rast. Genauso soll man nicht im Stehen trinken – sich also auch beim Trinken Zeit nehmen – und nicht in ein Trinkgefäß hineinzublasen. Außerdem hat er dazu aufgefordert nicht zu viel Fleisch zu essen, aber auch nicht ganz darauf zu verzichten indem er sagte: „Wer 40 Tage kein Fleisch isst, der erleidet einen Mangel. Wer 40 Tage lang täglich Fleisch ist, dessen Herz verhärtet sich.“ Heutige Ernährungsspezialisten raten ebenfalls dazu, nicht zu viel Fleisch zu essen, weil dadurch sogar bestimmte Krankheiten begünstigt werden.

Ganz allgemein meinte der Prophet, soll der Mensch seinen Magen grundsätzlich nicht überladen. Er sagte nämlich: „Der Mensch füllt kein schlechteres Gefäß als seinen Bauch. Einige Bissen genügen für die Kinder Adams, um ihren Rücken aufrecht zu halten. Aber wenn das nicht möglich ist, dann soll ein Drittel des Magens für das Essen, ein Drittel für das Trinken und ein Drittel für das  freie Atmen vorbehalten sein.“

Der Prophet empfahl auch über das verpflichtende Fasten im Monat Ramadan hinaus das regelmäßige freiwillige Fasten. Er sagte nämlich: „Der Magen ist das Haus der Krankheit und das Fasten ist die allerwichtigste Arznei. Mache dir das zur Gewohnheit.“

Nun aber zu einigen Lebensmitteln, denen der Prophet eine besondere, manchmal sogar heilende Wirkung zuschrieb:

Beispiele für Heilung bzw. Vorbeugung durch bestimmte Nahrungsmittel  

Salz: Der Prophet Muhammad (s.s.) hat zu seinem Cousin Ali (r.a.) gesagt: „Beginne dein Essen mit Salz und beende es damit, dann Salz beugt 70 verschiedenen Krankheiten vor …“  

Dies wird unter vielen Muslimen auch heute noch praktiziert. In ein kleines Gefäß am Tisch wird ein Finger hinein getippt und abgeleckt. Durch die moderne Wissenschaft wissen wir, dass wenn man vor dem Essen eine kleine Menge Salz zu sich nimmt, ein Mangel an Salzsäure im Magen ausgeglichen werden kann. Dazu ist natürlich unraffiniertes Meersalz am besten.  

Datteln: Frische Datteln waren die Nahrung, die Maria – arabisch Mariam – laut der Erzählung des Korans nach der Geburt von Jesus – arabisch ’Aisa – gegessen hat. Heute wissen wir, dass die Dattel nicht nur eines der wertvollsten und vollwertigsten Nahrungsmittel ist, sondern dass sie auch eine oxytocin-ähnliche Wirkung hat. Das heißt, sie wirkt wehenauslösend, wehenverstärkend und sorgt im Wochenbett und in der Stillzeit für eine gute Milchbildung.

Der Prophet betonte die allgemeine Bedeutung der Dattel als Nahrungsmittel, in dem er sagte: „Ein Haus ohne Dattel hat keine Nahrung.“ Außerdem ist es ausdrücklich empfohlen und unter Muslimen üblich, mit einer Dattel das Fasten zu brechen, d.h. zu beenden.  

Honig: Der Honig ist schon früh in der Menschheitsgeschichte gegen viele Krankheiten eingesetzt worden. Im Koran ist ein ganzes Kapitel der Biene gewidmet (Sure 16 – Al Nahl). Im Vers 69 heißt es über die Biene bzw. den Honig: „… Aus ihren Bäuchen kommt ein Getränk heraus, verschieden in seinen Farben, in dem Heilung für die Menschen ist, hierin ist ja bestimmt ein Zeichen für Leute, die nachdenken.“

Die bakterienhemmende, heilende Wirkung des Honigs haben sich die Menschen schon immer zu Nutze gemacht, indem sie ihn z.B. bei Infektionen des Magen-Darm-Traktes oder der oberen Luftwege eingesetzt haben oder ihn auf eiternde Wunden strichen.  

Vom Propheten Muhammad (s.s.) ist bekannt, dass er jeden Morgen ein Glas Wasser mit Honig trank. Zudem empfahl er Honig als Therapie bei Darmproblemen. Er sagte auch:
„Bei Ihm, in  dessen Händen meine Seele liegt, ist Honig. Denn es gibt kein Haus, in dem Honig aufbewahrt wird, für das nicht Engel um Gnade bitten. Wenn jemand Honig isst, dann betreten tausend Heilmittel seinen Magen und unzählige Krankheiten verlassen ihn. Wenn der Mensch stirbt und Honig mit ihm gefunden wird, dann wird das Feuer seinen Körper nicht berühren.“

Schwarzkümmel: Unter den Heilmitteln kommt ihm eine besondere Stellung zu, weil der Prophet Muhammad (s.s.) darüber sagte, dass er jede Krankheit heilen könne, außer dem Tod. Schon Hippokrates verwendete das Naturheilmittel zur Stärkung des Wohlbefindens und bei allgemeiner körperlicher und geistiger Schwäche. Inzwischen schätzen weltweit viele Menschen das Naturprodukt als sanftes und ausgleichendes Mittel zur Harmonisierung des Immunsystems, zur Milderung von allergischen Reaktionen und vielem mehr. Unter Muslimen erfreut sich der Schwarzkümmel besonderer Beliebtheit. Bei Verkühlungen und Atemwegserkrankungen wird er z.B. gerne als Tee aufgegossen. Schwarzkkümmel wird aber auch als kalt gepresstes Öl eingenommen und ist besonders wirksam zur Stärkung des Immunsystems und der Abwehrkräfte des Körpers.

Er wird auch äußerlich angewendet z.B. bei Insektenstichen oder gemischt mit Wasser zum Auftragen auf die Augenlider bei Augenentzündungen. Die Wirkungsbreite und Anwendungsformen sind fast unerschöpflich. In den letzten Jahren ist der Schwarzkümmel auch hier im Westen wieder entdeckt worden und zu neuen Ehren gekommen und zahlreiche Bücher darüber sind erschienen. Jede Apotheke bietet mittlerweile Schwarzkümmelöl und -kapseln an.

Heilung durch Worte

Vom Propheten Muhammad (s.s.) wissen die Muslime, dass man Medikamente – natürlich auch vom Arzt verordnete – aber ebenso Gebetsformeln zur Wiederherstellung der Gesundheit benutzen kann. Diese beiden Dinge zeigen eine positive Wirkung auf den Körper und den Geist, nämlich die Gedanken. Also ist es für Kranke und deren Angehörigen selbstverständlich und wichtig, Bittgebete zu formulieren. Auch der Zuspruch durch tröstende Worte hat besondere Wertschätzung. Dazu findet sich im Koran das folgende Gleichnis: „Siehst du nicht, wie Gott ein Gleichnis vom guten Wort prägt? Es ist wie ein guter Baum, dessen Stamm fest verwurzelt ist und dessen Zweige hoch in den Himmel ragen.“ (14:24)  

Ein schönes Beispiel für Zuspruch durch tröstende Worte ist auch bei dem türkischen Gelehrten Said NURSI (gestorben 1960), zu finden. Er schrieb 130 Abhandlungen über den Koran und lehrte, dass die Schöpfung selbst immer aufs Beste über ihren Schöpfer unterrichtet und deshalb sogar moderne Wissenschaften Kunde geben von Gott. In seinem Büchlein „Im Aufscheinen des Morgensterns – Ein Seelenführer für die Kranken“, finden sich von ihm sogenannte „Heilmittel“, die ein besonders schönes Beispiel für tröstende Worte sind und zum Nachdenken anregen. Er selbst sagt dazu: „Geschrieben für die Kranken als eine Salbe, eine Tröstung, ein geistiges Rezept, an Stelle eines Besuches am Krankenbett und als ein Wunsch zur Genesung.“

Leseprobe:

Drittes Heilmittel: Oh du Kranker ohne Ausdauer! Der Mensch ist nicht in die Welt gekommen, um nach seiner Lust und Laune zu leben. Zeugnis dafür gibt das ständige Kommen und Gehen der Menschen. Die jungen werden alt, und sie alle werden zwischen Tod und Trennung ständig umhergetrieben. Und obwohl der Mensch unter den Lebewesen das vollkommenste, höchste, hinsichtlich seiner Anlagen reichste, ja, sogar der König aller Lebewesen ist, verbringt er dennoch, verglichen mit den Tieren, nur ein trauriges und kummervolles Leben auf der untersten Stufe, weil er ständig über vergangenes Glück und kommendes Unheil nachdenkt. Das heißt, dass der Mensch nicht in diese Welt gekommen ist, nur um sich ein schönes Leben zu machen und ruhig und unbeschwert seine Zeit zu verbringen. Er ist vielmehr hierher gekommen als ein Mensch, in dessen Händen sich ein gewaltiges Kapital befindet, um Handel zu treiben und zu arbeiten für ein immer und ewig glückseliges Leben. Das Kapital, das ihm in die Hand gegeben wurde, ist die Spanne seines Lebens. Gäbe es keine Krankheit, würden ihn Gesundheit und Wohlbehagen zur Gottvergessenheit verleiten … Die Welt erschiene ihm als ein Freudental. Das Jenseits geriete in Vergessenheit. Man möchte nicht an Grab und Tod erinnert werden, möchte das Kapital seines Lebens wie im Leerlauf für hohle Vergnügungen ausgeben, doch die Krankheit (und Leid) öffnet ihm plötzlich die Augen und spricht zu ihm, zu seinem Körper. „ Du bist nicht unsterblich, nicht ungebunden, du hast eine Aufgabe. Lass deinen Stolz! Denke an den, der dich geschaffen! Wisse, dass du ins Grab stiegen wirst! Bereite dich also darauf vor!“ So ist also die Krankheit von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet ein Mahner, der niemals betrügt und ein warnender Lehrer. In dieser Hinsicht sollte man sie nicht anklagen, vielmehr ihr dankbar sein und – wenn es einem zu schwer wird – um Geduld bitten … 

Datum: 
Wednesday, 15 June, 2005
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