Libanon nach dem sechsten Krieg
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Eine vierte Ära hat im Nahen Osten begonnen
Der sechste Krieg zwischen Israel und den Arabern scheint zu Ende. In der Chronologie ist er der längste. Zur Erinnerung: 1948 kämpfte Israel in Palästina gegen die arabischen Nachbarstaaten, 1956 gemeinsam mit Frankreich und England gegen Ägypten wegen der Verstaatlichung des Suez Kanals, 1967 gegen Ägypten, Syrien und Jordanien, 1973 im von Syrien und Ägypten ausgelösten „Oktoberkrieg“, 1982 im Libanon und nun 2006 ebenfalls im Libanon.
Wo die Kategorien „Sieger“ oder „Verlierer“ nicht greifen, steht doch fest: Israel und seine neue unerfahrene Führung um Olmert und Peretz hat nichts gewonnen: Jene beiden entführten israelischen Soldaten, die den Grund für den Militäreinsatz gaben, sind nach wie vor auf libanesischem Boden. Das kurzfristige Ziel die Hizbullah zu zerschlagen, bzw. zu entwaffnen ist bei weitem verfehlt. Das langfristige Ziel die Sicherheit Israels zu erhöhen ist weiterhin fraglich. Die Strategie der Demonstration militärischer Härte und Unbarmherzigkeit gegenüber den Nachbarn scheint nicht zum gewünschten Ergebnis zu führen.
Mit dem 12.07.2006 und dem Beginn der israelischen Offensive hat in der Region eine vierte und neue Ära des Konfliktes im Nahen Osten begonnen. Die erste Phase stand zwischen der Ausrufung des Staates Israel1948 und dem Sechstagekrieg 1967 im Zeichen der Konsolidierung des neuen Staates. Nach der vernichtenden Niederlage im Juni 1967 trat bei den arabischen Ländern eine Phase der Ohnmacht ein, die bis Oktober 1973 dauerte, als die Araber Israel durch ihren Überraschungsangriff die Unbesiegbarkeit des israelischen Armee infrage stellten. Die dritte und bisher längste Phase war von den Bemühungen eines Friedensprozesses mit mehreren Stationen gezeichnet. Hier fand - zumindest bei den arabischen offiziellen Führungen - ein radikales Umdenken gegenüber allen militärischen Optionen statt. Denn unisono lauteten die Botschaften aller arabischen Staaten, den Frieden als das einzige strategische Ziel zu formulieren.
Am deutlichsten trat diese Haltung bei der Initiative von König Abdullah (damals noch Thronnachfolger) von Saudi Arabien zutage, als er, paradoxer Weise in Beirut, nach Abstimmung mit den anderen arabischen Staaten verlautete, Israel auf Basis der Grenze von 1967 und zahlreicher von Israel bisher ignorierter UNO-Beschlüsse anerkennen zu wollen. Hier wurde zum Ärger vieler Oppositionspolitiker und Bürger betont, dass es sich dabei nicht nur um bloße Anerkennung handeln würde, sondern um eine volle Normalisierung der Beziehungen auf allen Ebenen, sowohl diplomatisch als wirtschaftlich. Dieses Angebot inkludierte natürlich die Schaffung eines halbwegs überlebensfähigen Palästina auf 22% der Fläche des historischen Palästina. Sogar die Hamas akzeptierte zuletzt bei der Anerkennung des viel debattierten so genannten Flüchtlingspapiers im Großen und Ganzen diese Initiative. Israel hat dagegen diese Entwicklung zu keinem Zeitpunkt mit Ernsthaftigkeit behandelt!
Mit dem 12.07.2006 wurden die Friedensbemühungen aller Seiten wegbombardiert. Niemand geringerer als Amr Mussa, Generalsekretär der Arabischen Liga, der für seine Ausgewogenheit und Diplomatie bekannt ist, hat den Tod des Friedensprozess konstatiert. Dieser höchst politischen und pragmatisch emotionsfreien Einschätzung wurde bis dato von keinem arabischen Führer widersprochen.
Was kennzeichnet nun diese vierte Ära, die mit den jüngsten Ereignissen eingetreten ist?
- Der Widerstandsbegriff hat eine neue Bedeutung gewonnen. In der arabischen Öffentlichkeit wird vollmundig über die politischen Führungen der arabischen Staaten gelästert und über deren reguläre Armeen gewitzelt. Hassan Nasrallah ist in den Köpfen der Leute als unangefochtener Sieger aus dem Konflikt hervorgegangen. Sein Geschick, insbesondere seine Loyalität zur libanesischen Regierung, aber vor allem seine Akzeptanz beim Großteil der christlichen Bevölkerungsschichten und ihrer Autoritäten haben ihn bereits zur charismatischsten Figur der arabischen Welt erhoben. Möglicher Weise wird er nach Nasser die beliebteste Persönlichkeit der jüngsten arabischen Geschichte werden - eingedenk der Tatsache, dass beide nicht nur Freunde hatten und haben.
- Der Diskurs um die Anerkennung des Existenzrechtes das Staates Israel wird neu aufgerollt werden. Hier wird bald die Frage aus dem Nahen Osten in Richtung Europa und USA kommen: Um welche Grenze und welche Struktur sollte es sich hier handeln? Geht es um die Grenzen des UNO Teilungsplanes vom November 1947 oder von 1967? Ist Israel bereit, bei dieser Anerkennung auch die Existenz Palästinas anzuerkennen und in welcher Form und in welchen Grenzen? Es gilt nicht länger um den heißen Brei herumzureden, da es ohne diese Diskussion keinen Sinn macht, nach Details der Lösungen zu forschen. Der größte Fehler des ersten Friedensprozesses zwischen 1973 und 2006 war die bewusste Aussparung der sensiblen Themen!
- Die von den USA angestrebte Neuordnung des Nahen Ostens, zu der bereits neu gezeichnete Landkarten kursieren, ist eine Frage der Zeit – wird sich aber kaum in deren Sinne des gegeneinander Ausspielens verwirklichen. In der derzeitigen Situation scheint ein Zusammenrücken der arabischen Länder eine logische Konsequenz, eine parallele starke Kooperation mit dem Iran und der Türkei nahe liegend. Diese Kooperation könnte kurzfristig die bisherigen panarabistischen Einheitsutopien ersetzen und langfristig eine ähnliche Entwicklung wie die EU einschlagen. In der Luft liegt förmlich die Bewegung Richtung Demokratie und Freiheit, aber vor allem die Anerkennung der Menschenrechte aller Bevölkerungsgruppen unabhängig von Ethnie und Religion – ein absolutes Muss. Mit einem solchen Nahen Osten wird sich leichter ein Friedensprozess mit eigener Dynamik durchführen lassen.
Abschließend ein wichtiges Detail zur medialen Berichterstattung: Zum ersten Mal übertreffen die arabischen Privatsender Al Jazeera und Al Arabia qualitativ die westlichen Medien. Während die Stellungnahmen von Hassan Nasrallah per Fernsehen im Westen eine beinahe komplette Zensur erfuhren, kamen in den genannten arabischen Sendern durchgehend israelische Politiker, Experten und Militäroffiziere zu Wort, was in manchen staatlich kontrollierten Medien, z.B. in Syrien, als unsolidarisch kritisiert wurde. Auch die Frauenbeteiligung an der journalistischen Arbeit bis hin zum Einsatz in den gefährlichsten Gebieten war bezeichnend und nicht nur für arabische Verhältnisse durchaus vorbildhaft. In einer Zeit, da die Medien zu Recht immer mehr als „vierte macht“ bezeichnet werden, ist auch dies kennzeichnend für die geschilderte vierte Ära.
Wien 15.08.2006