Vielleicht eine Rede des Jahrhunderts

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Wednesday, 10 June, 2009
Vielleicht eine Rede des Jahrhunderts

18:53 | GASTKOMMENTAR VON OMAR AL-RAWI (Die Presse)

Was können Europa und Österreich aus der letztwöchigen Rede Barack Obamas in Kairo lernen?

Selten hat mich eine politische Rede gleichzeitig berührt, fasziniert, begeistert und mit großer Hoffnung erfüllt. Es war in der Tat eine historische Wende in der Beziehung zwischen den USA und der islamischen Welt. Doch wir in Europa sollten nicht nur Zaungäste und Beobachter bleiben, sondern auch einige Erkenntnisse gewinnen.

Die Rede war ein Lehrbeispiel, wie ein Dialog der Kulturen und Religionen zu funktionieren hat: respektvoll und ehrlich gemeint, niemals überheblich oder gar beleidigend, die Gemeinsamkeiten hervorhebend, ohne Unterschiede zu verschweigen, und stets gleichberechtigt und auf gleicher Augenhöhe geführt. Er sprach auch alle Spannungsfelder an, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu deuten. Verbindlich im Ton, deutlich, aber nicht anbiedernd. Auch Selbstkritik blieb nicht aus und war zu keiner Zeit belehrend.

Ein Nachdenkansatz für alle, die mit Minderheiten eurozentrischen Umgang pflegen und glauben, die Weisheit für sich allein gepachtet zu haben. Hier empfehle ich die Passage der Rede nachzulesen, wo Obama den großen Beitrag des Islam für die gesamte Zivilisation hervorhebt sowie die Rolle, die die Muslime als Wegvorbereiter für die europäische Renaissance und Aufklärung gespielt haben.

Er stellte klar, dass man mit Vorurteilen, Stereotypen, Klischees keine gegenseitige Beziehung aufbauen kann. Und dies gilt für beide Seiten. Obama sah sogar seine Verantwortung als Präsident der Vereinigten Staaten darin, gegen negative Stereotypen über den Islam vorzugehen, wo auch immer sie auftreten mögen. Wenn man die Islamfeindlichkeit als politisches Programm der Rechten im Europa der letzten Jahre betrachtet und das beharrliche Schweigen der restlichen Politiker, dieses Phänomen namentlich zu benennen, ist es ein interessanter Ansatz. In Österreich spricht man lediglich von Fremdenfeindlichkeit, und selbst Parteien wie die Grünen bringen den Begriff Islamfeindlichkeit nicht über die Lippen. Man verwechselt das Auftreten gegen diese Form des kulturellen Rassismus mit dem Verteidigen des Islam und glaubt, dass Islamfeindlichkeit gleichzusetzen ist mit Religionskritik.

1200 Moscheen in den USA

Die Feststellung, dass die Freiheit der Vereinigten Staaten untrennbar mit der Freiheit der Religionsausübung verbunden ist, gilt wohl auch für uns in Europa. Obama fügte stolz hinzu, dass es in jedem Bundesstaat Amerikas eine Moschee gibt und insgesamt über 1200 Moscheen innerhalb seiner Landesgrenzen existieren. Vielleicht eine Ermutigung für all unsere Politikerinnen und Politiker, gegen Anti-Moschee-Initiativen von der Schweiz über Köln, Telfs, Bad Vöslau bis hin zur Dammstrasse im 20. Wiener Gemeindebezirk aufzutreten. Gerade Minderheitenrechte müssen sensibel geschützt werden. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für Muslime in Europa, sondern auch für Christen in der islamischen Welt, mit dem Recht, Kirchen und Gebetshäuser zu bauen und errichten zu dürfen.

Mit der Aussage, dass „unsere Töchter genauso viel zu unserer Gesellschaft beitragen können wie unsere Söhne“, stellte Obama unmissverständlich klar, dass die Gleichberechtigungsfrage für Europa und die USA ein universelles Recht darstellt. Es war auch wichtig festzuhalten, dass Frauen, die sich für ein Leben in traditionellen Rollen entschieden haben, dies aus freiem Willen tun und niemand sie in diese Rolle drängen darf. Die Gleichberechtigung und Emanzipation der muslimischen Frauen in Europa kann jedoch niemals ohne Bildung und Beruf gelingen. Jeder Versuch, sie zu diskriminieren, führt ins Gegenteil. Obama stellte klar, dass die US-Regierung vor Gericht gegangen ist, um die Rechte der Frauen und Mädchen zu schützen, die den Hijab tragen wollen, und um diejenigen zu bestrafen, die es ihnen verwehren wollen. Ein wichtiger Ansatz für all jene, die leise oder laut über ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst, in der Schule, auf den Universitäten oder gar im öffentlichen Raum generell nachdenken.

Es war eine Rede, die gewiss die Herzen der Muslime weltweit erreicht hat und die ihre Wirkung nicht verpassen wird. Werden diesen Worten auch Taten folgen, dann hat sie das Prädikat einer Rede des Jahrhunderts verdient.


 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2009)
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