Wahlrecht für Ausländer - Verfassung ändern oder?
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Recht ist noch lange nicht Gerechtigkeit. Dieser beliebteste Satz bei Juristen passt haargenau auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, die zum Kippen des von SPÖ und Grüne beschlossenen Ausländerwahrecht in Wien führte. Dass die Begründung nicht irgendeinen korrigierbaren Form- oder Formulierungsfehler anführt, sondern mit der Verfassungskonformität argumentiert, gibt hier zu denken. Mit anderen Worten sagt hier der VfGH: Wenn ihr hier etwas ändern wollt, dann müsst ihr bitteschön erst zusammenbringen die Verfassung zu ändern, was bekanntlich eine Mehrheit von zwei Dritteln im Nationalrat erfordert und damit bei der derzeitigen politischen Konstellation unrealistisch wäre. Nun kann auch die Meinung vieler Verfassungsrechtler, die diese Unkonformität nicht sehen bzw. das „Homogenitätsprinzip“ in keiner Weise verletzt sehen, nicht viel helfen. Das VfGH hat gesprochen und basta.
Ob die Verfassungsrechtler einen Vergleich mit den anderen EU-Ländern durchgeführt haben ist bis dato unbekannt, ein Vergleich wäre trotzdem hilfreich, hier einige Beispiele:
In Dänemark haben die Drittstaatsangehörigen seit 1981 das Recht bei Kommunalwahlen mitzubestimmen.
In Belgien genießen Drittstaatenangehörige zwar kein generelles Wahrecht, haben jedoch seit einer Verfassungsänderung 2001 die Möglichkeit an den Kommunalwahlen teilzunehmen.
In Finnland wird dieses Recht automatisch nach zweijährigem Aufenthalt erteilt, dazu auch das Recht bei Volksabstimmungen mitreden zu dürfen, in Schweden nach dreijährigem Aufenthalt.
In Irland genießen die Ausländer, die sich im Land legal befinden das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen. In den Niederlanden ist es seit 1985 möglich nach fünfjährigem Aufenthalt aktives und passives Recht auf Kommunalebene auszuüben.
Angesichts der oben angeführten Beispiele ist festzustellen, dass das angestrebte Wiener Modell nicht allzu großzügig gestaltet ist, sondern eher im mittleren europäischen Trend liegt.
Nun wäre es an der Zeit nicht nur die rechtliche Seite, sondern die gesellschaftspolitische Dimension zu durchleuchten. Von einem breiteren Diskurs ist aber leider weit und breit keine Rede.
Viele Migranten und damit auch Neoösterreicher stammen bekanntlich aus Ländern, in denen nicht unbedingt Demokratie herrscht. Viele von ihnen betreten hier erstmals in ihrem Leben eine Wahlzelle. Was ist daran so schlecht, wenn die Erfahrung mit politischer Partizipation auch vor Erlangen der Staatsbürgerschaftspapiere gemacht werden kann? „Passt euch doch an“ – „Lernt Demokratie“ sind doch zwei der gängigsten Aufforderungen vieler Inländer an die Ausländer. Warum sucht man diese verlangte „Anpassung“ und „Demokratiefähigkeit“ zu verhindern, ausgerechnet dann, wenn sie gelebt werden könnte?
Es ist bedauerlich, dass die Diskussion um Antidiskriminierungsgesetze aber auch um Ausländer-Wahlrecht nicht im Ansatz die politische Brisanz anderer Themen wie Spesenrittertum oder Tierschutzgesetz gewinnen kann. So unbestritten wichtig diese Bereiche sind, sollten sie nicht die Notwendigkeit einer kreativen Behandlung der Themen Migration, Rassismus und Umgang mit Minderheiten überdecken. Dies sind Angelegenheiten, die für Europa schon aus demographischen Gesichtspunkten immer mehr Bedeutung gewinnen. Es liegt im Interesse aller eine ehrliche Auseinandersetzung jenseits von blankem Populismus zu suchen. Sager vom „Schutz des Heimatrechtes der Staatsbürger“ wie von FPÖ Politiker Strache in den Raum gestellt entlarven sich selbst.
Es bleibt zu hoffen, dass im österreichischen Konvent das Thema so behandelt wird, dass eine zeitgemäße Richtung ohne Rechtsunsicherheit eingeschlagen werden kann.