„Muslimin sein“: Die Rolle der Frau im Islam
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„Bin ich als Muslimin auf die Rolle als Hausfrau festgelegt? Gilt ein Bub mehr als ein Mädchen? Dürfen muslimische Männer Frauen schlagen?“ - Fragen wie diese erörtert Carla Amina Baghajati in ihrem Buch „Muslimin sein“.
Das Buch beginnt mit einer sehr persönlichen Geschichte, der Erzählung, wie aus einer jungen deutschen Christin eine Muslimin wird, die auf der Straße plötzlich anders behandelt wird - weil sie Kopftuch trägt. Baghajati erzählt von den Herausforderungen einer Konvertitin und den Ängsten ihrer Mutter, dass ihre emanzipierte Tochter Carla den gemeinsamen Werten den Rücken kehren könnte. Doch das Buch „Muslimin sein. 25 Fragen - 25 Orientierungen“ ist keine Biografie, sondern eine faktenreiche, differenzierte Lektüre, die die Situation muslimischer Frauen beleuchtet.
Weder liberal noch konservativ
Die Medienreferentin und Frauenbeauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) will in ihrem kürzlich erschienenen Buch nicht „ultimative Antworten“ geben, sondern zum Denken anregen, sagte Baghajati im Gespräch mit religion.ORF.at. Das Buch soll junge Musliminnen ermutigen, Nicht-Muslime informieren und Denkanstöße liefern.
Baghajati legt in dem Buch eine Bandbreite an islamischen Positionen dar, ohne Etiketten wie „liberal“ oder „konservativ“ zu bemühen. Doch „man merkt, dass ich eine Meinung habe“, so Baghajati. Und die äußert sie klar: Es soll keine Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht der Frau geben. Ihr Plädoyer richtet sich an Muslime und Nicht-Muslime.
Tyrolia/ Maskot; Getty Images
Buchhinweis
Carla Amina Baghajati: Muslimin sein. 25 Fragen - 25 Orientierungen. Tyrolia Verlag, 224 Seiten, 17.95 Euro
Gewalt kein Tabuthema
In dem Buch stellt und erörtert die Autorin Fragen zu der Beziehung zwischen Mann und Frau, Ehe und Familie, Sexualität sowie zur religiösen Praxis. Sie spart auch kontroverse Themen wie physische und psychische Gewalt gegen Frauen und Kinder nicht aus. Ehrenmorde und Zwangsehen - das sind Themenfelder, über die zu sprechen man Baghajati vor 20 Jahren noch abgeraten hätte, erzählte die Autorin.
Zu groß sei die Sorge gewesen, dass sich durch das bloße Thematisieren nur „Klischees bestätigen“ würden, sagte Baghajati. Doch das Bewusstsein dafür, lieber offensiv an das Thema heranzugehen und aufzuzeigen, dass im Islam solches Unrecht verurteilt werde, sei gewachsen. Das schlägt sich in dem Buch nieder: Trotz der Gefahr, „Islamhassern“ Nahrung zu geben, entschied sich Baghajati dazu, den Finger auch auf offene Wunden zu legen.
Religion der Frauenrechte?
Die gebürtige Deutsche setzt sich in dem Buch mit den verschiedenen Rollen muslimischer Frauen auseinander und plädiert dafür, dass sie nicht in eine vorgegebene Rolle, ein „starres Korsett“, gedrängt werden. Baghajati analysiert das Verhältnis von Frauen und Männern auf der Grundlage des Korans und der Hadithe (der Bericht zur Sunna, sprich Lebensweise des Propheten Mohammed) und zieht Vergleiche mit der gesellschaftlichen Realität.
Der Islam sei eine Religion, in der Frauenrechte hochgehalten werden, sagte Baghajati zu religion.ORF.at. Dem vielfach gezeichneten Bild einer frauenfeindlichen, patriarchalen und reaktionären Religion begegnet die Autorin mit zahlreichen Textstellen aus Koran und Hadithen, die belegen sollen, dass die Rechte der Frauen - zum Beispiel auf Arbeit, Verdienst, politische Partizipation und Gleichstellung - befürwortet werden.
Bevormundung rechtfertigen
Baghajati zeigt aber auch jene Textstellen, die - ihrer Ansicht nach - umgedeutet und mitunter als Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von Frauen herangezogen werden: „Der Beste unter euch ist derjenige, der seine Frau am besten behandelt. Und ich bin derjenige, der seine Frau am besten behandelt.“ Das sei ein sehr oft zitierter Satz, der besonders von Männern gerne als Beweis für die Frauenfreundlichkeit des Islam eingebracht wird, schrieb Baghajati.
Doch wenn dieselben Männer gleichzeitig „für sich herausnehmen“ stets zu wissen, was das Beste für die Frau sei, werde daraus „genau jene patriarchale Haltung von Bevormundung, die Frauen in ihrer freien Entfaltung im Wege steht“, heißt es in dem Buch.
„Revolution“ zu Zeiten Mohammeds
„Im Koran finden sich Argumente für ein partnerschaftliches Modell“, sagte Baghajati. Kritische Textstellen, wie etwa jene, die besagt, dass Männer Frauen in Ausnahmefällen auch schlagen dürfen - wenngleich „höchstens mit einem Taschentuch“ oder „mit einem Zahnhölzchen“, sollten im historischen Kontext betrachtet werden.
kathbild/Franz Josef Rupprecht
Carla Amina Baghajati will mit dem Buch Muslime und Nicht-Muslime ansprechen.
Vor dem Hintergrund, dass man in vorislamischer Zeit Frauen ohne Sanktionen „krankenhausreif prügeln“ konnte, seien die Entwicklungen „zur Zeit des Propheten eine Art von Maximum an Eindämmung häuslicher Gewalt“, gewissermaßen eine Revolution gewesen, schrieb Baghajati.
In einer Gesellschaft, in der die roten Linien „erfreulicherweise noch enger gezogen wurden“, solle dieser Text „von gewissen Männern“ nicht als eine Art Disziplinierungsrecht über Frauen „verdreht“ werden. Die Intention, nämlich dass Gewalt an Frauen zu ächten sei und in vielen anderen Textstellen verboten werde, sei entscheidend für die Interpretation der Sure.
Dialog und Frauenarbeit
Mit dieser Sicht der Dinge steht Baghajati nicht allein da - wie sie im Buch durch die Textanalysen von sowohl Islamforschern als auch Islamforscherinnen beweist. Baghajati gibt einen Einblick in innermuslimische Diskurse und theologische Debatten: Sie zeigt, wie unterschiedlich der Koran gelesen und interpretiert werden kann, und wie dadurch etwa ein Bekenntnis zu gegenseitiger Verantwortung von Mann und Frau füreinander oder aber die Beherrschung der Frau durch den Mann abgeleitet werden kann.
Die Fachinspektorin und Lehrerin für islamische Religion an einem Wiener Gymnasium schöpft für ihr Buch aus ihrer eigenen Erfahrung im interreligiösen und innerfeministischen Dialog sowie aus ihrer Arbeit in der Beratungsstelle der IGGiÖ und bringt immer wieder praktische Beispiele ein.
Argumente für muslimische Frauen
Mit dem Buch gibt Baghajati nicht zuletzt muslimischen Frauen Rüstzeug in Form von islamischen Argumenten in die Hand, um etwa in Moscheevereinen mehr Mitsprache zu erlangen, und bietet Orientierung, wie sie ihren Glauben mit ihren vielfältigen Bedürfnissen und der Umwelt vereinbaren können.
Das tut Baghajati indem sie anhand des Korans beantwortet, ob die Religion etwa Verhütungsmittel erlaubt, welche religiöse Praxis während der Menstruation möglich ist und was Frauen tun können, die Kopftuch tragen möchten, aber denen daraus im Beruf Probleme erwachsen.
Frauenbewegung
Die Frage nach Gleichberechtigung muslimischer Frauen entkoppelt Baghajati nicht von den allgemeinen Bestrebungen Frauen gleiche Chancen zu ermöglichen, sondern setzt sie in Beziehung mit der noch gar nicht so alten Frauenbewegung, deren Forderungen und Werte Baghajati sowohl als Christin als auch als Muslimin unterstützte.
So heißt es in der Einleitung des Buches: „Für mich persönlich bestand nicht der geringste Zweifel daran, dass mein Religionswechsel keinen Wechsel meiner Einstellungen und prinzipiellen Werte bedeutete. Die Chancengleichheit von Mann und Frau, Menschenrechte und auch ein demokratisches Bewusstsein waren mir von Jugend an wichtig und würden es auch weiterhin sein.“
Clara Akinyosoye, religion.ORF.at