Ins Islamismus-Eck gestellt
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Ein Handbuch verspricht eine differenzierte Auseinandersetzung mit der muslimischen Community in Österreich. Leider hält es das Versprechen nicht.
Die 'theoretischen Grundlagen' sind gedankliche Verrenkungen, die die Generalaussage stützen sollen: Praktizierende Muslime dürfen nicht politisch denken und handeln.
"Multikulti ist tot", ließ die Wiener Integrationsstadträtin Frauenberger (SPÖ) jüngst verkünden. Die ÖVP schickt die Minister Hahn und Fekter in den Kulturkampf und führt einen islamophoben Wahlkampf, indem die Muslime gar nicht mehr explizit angesprochen werden. Die Zuschreibungen zum Thema Islam sind derart mächtig, dass ohnehin jeder weiß, wer da mit "rückschrittlicher Kultur", "Ehrenmorde" und "Klitorisverstümmelungen" gemeint ist. Die FPÖ hängt dem rechten Phantasma "Eurabien" an und halluziniert von einer Verschwörung, die die Islamisierung Europas zum Ziel hat.
Selbst die Liberale Heide Schmidt plädiert für eine Bekehrung kopftuchtragender Frauen. Von Links bis Rechts wird um eine monokulturelle Politik geworben. Dieser europaweit populär gewordene "Kulturfundamentalismus" (Liz Fekete) sieht die Aufklärung als abgeschlossenen heiligen Prozess an, in dessen Namen der Andere in Form des Islam von der gesellschaftlichen Partizipation ausgeschlossen werden soll.
Ein nüchternes Buch zur muslimischen Community in Österreich käme in einer solchen aufgeheizten Stimmung genau richtig. Will man dem Deuticke-Verlag Glauben schenken, dann handelt es sich bei Zwischen Gottesstaat und Demokratie um genau die differenzierte Auseinandersetzung, die so dringend notwendig wäre. Doch leider hält der Verlag sein Versprechen nicht. Stattdessen werden genau die "Vorurteile und Halbwahrheiten" lanciert, die es vorgibt zu bekämpfen. Die von Mitherausgeber Thomas Schmidinger kritisierte, angeblich "homogenisierte Wahrnehmung des Islam in Österreich" wird durch die Auffassung der Autoren vervollständigt, dass praktisch alle religiösen muslimischen Vereine, Organisationen und Verbände des Landes antidemokratisch seien. Die gewählte Sprachregelung "politischer Islam" ist - wie die Autoren den Begriff verstehen - bloß ein Euphemismus für den bösen Ismus. Die Beteuerung, mit dem antiislamischen Ressentiment der extremen Rechten nichts zu tun zu haben, wirkt hohl, angesichts der Auffassung der Autoren, dass die islamischen Vereine allesamt eben die Islamisierung anstreben, vor der die Rechte warnt.
Das Handbuch des politischen Islam (Untertitel) zählt im Stile des Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus im knapp 200 Seiten starken zweiten Abschnitt sämtliche religiösen islamischen Vereine auf und stellt sie ins Islamismus-Eck. Ausnahme sind nur staatlich gelenkte Verbände, wie etwa die vom türkischen Religionsministerium geführte ATIB, denn diese seien nicht als politisch zu qualifizieren! Dabei finden sich kaum neue Informationen, es wurden meist in Medien veröffentlichte Daten so zusammengetragen, dass sie die Islamismus-These untermauern könnten. Die Logik bleibt oft auf der Strecke: Tariq Ramadan ist verwandt mit Vertretern der Muslimbruderschaft und fordert eine Wiederbelebung des Idschtihad, der zeitgemäßen Interpretation des Koran. Auch Tarafa Baghajati tritt ein für eine solche Exegese, ergo ist die "Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen", der Baghajati angehört, Teil der Muslimbruderschaft. Im ersten Teil werden "theoretische Grundlagen" erläutert.
Tatsächlich sind es allerhand gedankliche Verrenkungen, die die Generalaussage stützen sollen: Praktizierende Muslime dürfen nicht politisch denken und handeln. Dabei wird eine Diskrepanz zwischen religiösen und nichtreligiösen Muslimen behauptet, die so nicht stimmt. Wie bei allen Religionen wenden sich auch rein weltlich orientierte Muslime bei bestimmten Anlässen an ihre Orthodoxie (Bestattungen, Hochzeiten, ...). Säkularismus definieren die Autoren nicht als Akzeptanz einer Trennung von Staat und Religion, zu der sich die allermeisten dargestellten Organisationen bekennen - schließlich profitieren gerade religiöse Minderheiten vom Säkularismus -, sondern als persönliche Haltung, die Entscheidungen allein auf rein weltliche Überzeugungen gründet.
Damit aber greifen sie einen entscheidenden Wert der Aufklärung an, die sie an anderer Stelle zum universellen Gradmesser erklärt haben. Denn die überlässt es dem Einzelnen, womit er seine persönlichen Entscheidungen begründet. Der "politische Islam" sei nicht Teil der Moderne, weil er die "Menschenrechte, Vernunftprinzip, Volkssouveränität, Rechtsstaatlichkeit, Idee des ,freien' Individuums" etc. ablehne. Ob das zutrifft, bleibe dahingestellt. Führt man aber den Gedanken weiter, gehören Erscheinungen wie der Faschismus auch nicht zur Moderne. Folgerichtig können die Autoren dem Begriff "Islamofaschismus" einiges abgewinnen. Der staatlich anerkannten Interessenvertretung der Muslime gilt der dritte Teil, wobei sich die Auseinandersetzung mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) wie ein roter Faden durch das Werk zieht. Man kann sich kaum des Eindrucks erwehren, dass das ganze Buch eigentlich auf die IGGiÖ abzielt und der Rest nur dazu dient, die Anschuldigungen zu untermauern und in den "richtigen" Kontext zu setzen.
Das Buch erhebt den Anspruch, eine journalistische Arbeit zu sein und umgibt sich zugleich mit dem Nimbus der Wissenschaftlichkeit. Tatsächlich ist Zwischen Gottesstaat und Demokratie bloß eine weitere ideologische Stellungnahme zum Thema Islam.
Thomas Schmidinger / Dunja Larise (Hg.), "Zwischen Gottesstaat und Demokratie". € 19,90 / 330 Seiten. Deuticke, Wien 2008