Karriere: Kopftuch & Beruf - ein Widerspruch?
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Für Musliminnen auf Jobsuche wird das Bekenntnis, ein Kopftuch auch bei der Arbeit tragen zu wollen, häufig zum Hemmschuh. Ihre Bewerbung wird oft abgelehnt, manche kommen bei muslimischen Arbeitgebern unter.
WIEN. „Die Arbeitswelt ist ein Schlüssel für die Integration in die österreichische Gesellschaft, der Zutritt in die Arbeitswelt ist insbesondere für Musliminnen erschwert. Ein Kopftuch macht Musliminnen sichtbar,“ sagt Amina Baghajati, Pressesprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft. „In der neuen Generation ist sicher ein Pool junger Frauen, die in die Arbeitswelt gehen wird, auf den Unis gibt es immer mehr junge Frauen mit Kopftuch, da kommt ein Thema auf die Gesellschaft zu.“
Architektin Seyda Beyaz Ince, 28, behauptet, dass sie schon „auf der Suche nach einer Praktikumsstelle“ wegen ihres Kopftuchs „immer wieder“ auf Abweisung gestoßen sei. Und nicht erst da: „Meine Freundin und ich waren im Abschlussjahr 2006 an der Technischen Universität Wien die einzigen Studentinnen mit Kopftuch.“ Die 28-Jährige sucht nach wie vor, während ihre Freundin mittlerweile in einer türkischen Firma Arbeit gefunden hat.
„Für viele Frauen ist es der einzige Weg, sich bei muslimischen Arbeitgebern zu bewerben“, meint Hüseyin Ünal, Besitzer der „Etsan“-Supermarktkette. „Wir bekommen vermehrt Bewerbungen von Frauen mit Kopftuch. Aufgrund ihres Kopftuchs wurden sie anderswo nicht angestellt.“
Hilfe aus der Community
Ähnlich Mustafa Catalbas, Vorsitzender des Verbandes unabhängiger muslimischer Industrieller und Unternehmer: „Die muslimischen Geschäftsmänner wollen Frauen in ihrer schwierigen Situation unterstützen und ihnen Arbeitsplätze verschaffen.“ Für Hatice Kocak, 26, waren bei ihren Bewerbungen als Verkaufsfrau in großen Lebensmittel-, Elektronik- oder Kleidergeschäften die Türen verschlossen. Kocak: „Mir blieb als einzige Möglichkeit, in einem türkischen Laden zu arbeiten.“
Corinna Tinkler, Pressesprecherin und Leiterin der Unternehmenskommunikation von Rewe International (Merkur, Billa, Bipa), meint zur Kopftuchdebatte: „Wie im Handel üblich, haben unsere Filialmitarbeiterinnen eine Arbeitskleidung. Wir wissen, dass unseren Kundinnen einheitliche Arbeitskleidung sehr wichtig ist. Wir müssen deshalb dem auch Rechnung tragen. Mit den Bewerberinnen wird im Erstgespräch ausführlich die zukünftige Tätigkeit besprochen, Teil des Gespräches ist auch die Arbeitskleidung. Es liegt nun im Ermessen jedes einzelnen Bewerbers, was für ihn möglich ist oder nicht.“
Job schon nach zwei Wochen
Je höher die Qualifikation, desto weniger ist das Kopftuch Hindernis: „Zwei Wochen nach Beendigung meines Medizinstudiums an der Uni Wien habe ich an der Universitätsklinik im Allgemeinen Krankenhaus eine Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin bekommen“, berichtet Aysegül Ilhan. Die 25-Jährige lebt erst seit 2002 in Österreich, meint aber dennoch, dass „ich mich in Österreich zu Hause fühle, weil hier der Islam eine anerkannte Religion ist.“ In ihrer zweijährigen Berufspraxis sei sie noch mit keinen Vorurteilen konfrontiert gewesen.
Für Ayse Tandogan schaut die Arbeitswelt mit Kopftuch ein wenig anders aus. „Schon seit 20 Jahren bin ich mit Kopftuch als Putzfrau tätig, ich habe sowohl in großen Firmen als auch in privaten Haushalten gearbeitet“, so Tandogan. Sie erzählt, auf Toleranz dem Kopftuch gegenüber, Ignoranz und schließlich auch offene Ablehnung gestoßen zu sein. „Ich habe jahrelang darauf verzichten müssen, ein Kopftuch zu tragen.“
„Wir wollen junge muslimische Frauen mit den nötigen ,Soft Skills‘ für die Arbeitswelt ausstatten“, so Rodaina El Batnigi, Projektleiterin von „Fatima“. Diese Organisation bietet jungen Musliminnen Seminare zu Diskussionstechnik, Persönlichkeitsentwicklung, Teamführung, Organisation und Planung an.
El Batnigi: „Wir sind geborene Österreicherinnen mit unterschiedlichen Wurzeln.“ Es sei wichtig, „neben dem Studium die sozialen Fähigkeiten junger Musliminnen zu unterstützen, um sie auf die Arbeitswelt gut vorzubereiten und ihnen zu ermöglichen, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten“. Im Idealfall sollten sie zu Multiplikatorinnen werden, um in der eigenen Community, aber auch in der Mehrheitsgesellschaft Veränderungen zu bewirken.
Zeynep Elibol, Direktorin der berufsorientierten islamischen Fachschule für soziale Bildung: „Wir wollen nicht, dass Migrantinnen jung heiraten und keinen Beruf erlernen, wir wollen sie in ihrer Selbstverwirklichung fördern.“
„Eine Muslimin mit Kopftuch, die in der Arbeitswelt Fuß gefasst hat, ist ein Symbol dafür, dass es kein Widerspruch ist, Kopftuch zu tragen und in der Arbeitswelt integriert zu sein“, meint Amina Baghajati. „In Österreich ist ein umfassender Dialog nötig – ohne Verdächtigung und Ressentiments gegenüber Musliminnen.“ Integration sei keine Einbahnstraße, „alle Seiten müssen beteiligt sein“.
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