Stellungnahme der IMÖ zum Entwurf zur Novellierung des Islamgeetzes

Diese Homepage wurde mit einem neuem CMS aufgesetzt und befindet sich daher in Arbeit ...

Österreich genießt im Ausland den Ruf ein Modelland im Umgang mit dem Islam zu sein, was sich vor allem auf die Tatsache gründet, dass seit 1912 ein eigenes Islamgesetz die Muslime gesetzlich anerkennt. Auf Basis dieser Inklusion konnte sich vor allem seit dem Bestehen der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich 1979 ein Zusammenleben entwickeln, das auch in Zeiten, da die weltpolitische Lage (9/11, so genannte Karikaturenkrise 2006) von Spannungen und Krisen gekennzeichnet war, für Österreich den sozialen und religiösen Frieden wahren half. Eine Art institutionalisierter Dialog zwischen dem Staat, anderen anerkannten Religionsgesellschaften und der Zivilgesellschaft setzte nicht nur wichtige Impulse für ein gesamtgesellschaftliches „Wir-Gefühl“. Auch international konnte und kann Österreich mit diesem substantiellen Dialog, der viele Früchte getragen hat, punkten.

Für die Muslime wurde das staatliche Hineingenommen Werden zur Grundlage für die Ausprägung eines Identitätsgefühls, bei dem es zunehmend selbstverständlich wurde, sich zugleich als Muslim/in und Österreicher/in zu verstehen. Anerkennung ist immer ein beidseitiger Prozess. Denn eine rechtliche Absicherung bringt automatisch mit sich, dass sich eine emotionale Verbundenheit und Bereitschaft für den Rechtsstaat, von dem diese ausgegangen ist, einzustehen bei jenen einstellt, die solcher Weise als Minderheit den Grundsatz der Gleichstellung erfahren können. Muslime in Österreich sind inzwischen zu mehr als der Hälfte österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Mit der Novellierung des Gesetzes verbanden sie große Hoffnungen, dass parallel wie etwa zum Protestantengesetz eine bessere Definition verschiedener Bereiche des religiösen Lebens wie z.B.  die Seelsorge in Krankenanstalten oder die Einrichtung eines Lehrstuhls für islamische Theologie erfolgen würde. Damit versprach man sich auch in der Öffentlichkeit einen weiteren wichtigen Schritt zu gehen, um die rechtliche Anerkennung auch zu breiterer gesellschaftlicher Akzeptanz zu führen. Denn je stärker sich ein spezifisches Profil für die Muslime in Österreich entwickeln kann, desto mehr lässt sich die Gefahr bannen, dass Muslime hierzulande doch wieder vor der Folie von negativen Ereignissen im Ausland gesehen werden, die sie in ein Rechtfertigungseck treiben. Schlimmer noch sind in der öffentlichen Debatte auch immer wieder Forderungen nach „Reziprozität“ aufgetaucht. Musliminnen und Muslime in Österreich sollen aber nicht in Geiselhaft für Verfehlungen und Missstände genommen werden, mit denen sie nichts zu tun haben und auf die sie auch keinen Einfluss nehmen könnten.

Vor diesem Hintergrund ist sehr zu bedauern, dass die Präsentation des Begutachtungsentwurfs ausgerechnet in eine Zeit fällt, da begreiflicher Weise angesichts des terroristischen Wütens extremistischer Gruppen Ängste wach werden und alte Vorurteile und Klischees gegen Muslime aufbrechen. Ein Gesetz, das den alten und bewährten Geist der Anerkennung fortschreibt, wäre hier auch ein Mittel den Kurs Österreichs zu bestätigen, Muslime durch Inklusion an den österreichischen Rechtsstaat zu binden. Dies hat bisher so ausgezeichnet gewirkt, dass sich die breite Öffentlichkeit dessen vielleicht gar nicht so bewusst ist – Erfolgsgeschichten werden schnell für selbstverständlich genommen und schreiben erst dann Schlagzeilen, wenn das Ausland anerkennend das „Modelland Österreich im Umgang mit dem Islam“ lobt. Daher droht auch nicht ausreichend bewusst zu sein, wie viel auf dem Spiel steht, wenn die Novellierung angesichts der aktuellen Begleitumstände auch nur in den Geruch von „Anlassgesetzgebung“ gerät.

Die Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen lehnt daher all jene Passagen im Entwurf, die Misstrauen ausdrücken deutlich ab:

- Die besondere Betonung des Vorrangs staatlichen Rechts. Das ist eine Selbstverständlichkeit, die sich aus dem allgemeinen Gesetzesrahmen in Österreich ergibt. Die Islamische Glaubensgemeinschaft hat sich dieses Bekenntnis in die eigene Verfassung geschrieben. Es hier – anders als bei den Texten der anderen anerkannten Religionsgesellschaften zu unterstreichen, transportiert eine eindeutige Botschaft an die Muslime, sie seien potentiell zu wenig loyal gegenüber dem Staat und bräuchten hier eine Maßregelung, sowie an die Mehrheitsbevölkerung, dass der Staat die Muslime unter spezieller Beobachtung halte.

- Ganz ähnlich in §4 Abs. 3: „Es muss eine positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat bestehen.“

- Im Anschluss daran in §5 ähnlich schwammige Formulierungen, was die Gründe betrifft, die den Bundeskanzler ermächtigen, die Rechtspersönlichkeit zu versagen oder zu entziehen. Hier liegt zudem ein Eingriff in die inneren Angelegenheiten vor.

- Dem Verweis auf die nicht statthafte Verwendung des Wortes “Ungläubige” in den Erläuterungen. Das reproduziert den derzeitigen islamkritischen bis islamfeindlichen Diskurs, während Muslime selbst in ihrer Lehre davon ausgehen, dass alle Menschen gleichermaßen von Gott mit Würde begabt wurden (Koran 17:70). Von vorherein anzunehmen, dass Muslime tendenziell diskriminierend gegenüber Andersgläubigen agierten, ist nicht nur sachlich zurückzuweisen, sondern dahinter steht auch eine mangelnde Aufmerksamkeit, sich von Seiten des Staates nicht in die inneren Angelegenheit einer Religionsgesellschaft einzumischen. Denn hier wird sogar eigenmächtig eine – noch dazu falsche! – Interpretation der religiösen Quellen vorgenommen.

An dieser Stelle zeigt sich sehr deutlich, dass gegen Muslime ein Vorverdacht besteht, der dann auch dazu verführen kann, den Gleichheitsgrundsatz zu vernachlässigen. Umso bedenklicher wäre es, wenn diese im Gesetzesentwurf deutlich zu Tage tretenden Verletzungen politisch auch noch damit gerechtfertigt würden, dass Muslime eben „anders“ seien und darum auch „anders“ behandelt werden müssten. Dies würde Pauschalverdächtigungen in den Status berechtigter Bedenken erheben und könnte im schlimmsten Fall das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit an dieser Stelle verletzen.

Die Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen meldet daher ernste Bedenken und große Sorge bei allen Stellen im Entwurf an, wo der Gleichheitsgrundsatz aufgehoben scheint. Dies tritt bei folgenden Punkten besonders hervor:

- § 6, Abs. 2: Bei der Thematisierung der Finanzierung aus dem Ausland. Hier scheint der Gesetzgeber willens, diese möglichst völlig auszuschließen, bzw. nur über Stiftungen zu ermöglichen. Wenn damit die Entwicklung einer österreichisch-muslimischen Identität gefördert werden soll, indem Finanzflüsse aus dem Ausland gekappt werden, so steckt ein Denkfehler darin. Denn es ist nicht richtig, dass finanzielle Unterstützung automatisch auch inhaltliche Einflussnahme bedeuten muss. Muslime in Österreich haben über Jahre hinlänglich bewiesen, dass sie unter dem Dach der Islamischen Glaubensgemeinschaft bestrebt sind autonom zu agieren. Auch in öffentlichen Stellungnahmen wurde die Linie vertreten, dass Einflussnahme aus dem Ausland auf die IGGÖ unerwünscht ist – so wie sich die IGGÖ nicht in die internen Angelegenheiten ausländischer Staaten einmischt. Als praktisches Beispiel seien finanzielle Zuwendungen aus dem Ausland bei der Errichtung des islamischen Friedhofs genannt. Ohne diese hätte dieser nicht errichtet werden können. Selbstverständlich war dies aber eine Spende, die keinerlei Verpflichtung seitens der IGGÖ gegenüber den Spendern mit sich brachte.

- Beim Versuch ausländische Imame aus dem Land draußen zu halten. Natürlich favorisieren auch wir, dass sich ein Prozess entwickelt, der religiöse Multiplikatoren im Inland ausbildet. Die Strukturen dazu sollen ja auch geschaffen werden. Doch darf das nicht zu einer Diskreditierung der Leistungen von derzeit tätigen, im Ausland ausgebildeten Personen führen, bzw. ihnen die Arbeitsgrundlage entzogen werden. Andere Religionsgesellschaften beziehen ihr Personal auch ganz selbstverständlich aus dem Ausland, wenn dies erforderlich ist.

- Die Verwaltung der Mittel, ihre Aufbringung und Rechnungslegung muss als eine innere Angelegenheit betrachtet werden.

- Bei der Mitsprachemöglichkeit der IGGÖ in Bezug auf die Bestellung des Lehrpersonals an der Universität. Hier sind im Vergleich die Regelungen anderer Religionsgesetze (etwas bei den Protestanten) klarer. Beispielsweise müsste es eine Grundvoraussetzung sein, dass ein Lehrstuhlinhaber auch Mitglied der Islamischen Glaubensgemeinschaft ist.

- Während Priester, Pfarrer und Rabbiner sich auf ein Schweigegebot berufen können, ist dies für Imame nicht vorgesehen. §11, Abs.2. Die fachliche Eignung der Seelsorger ist eine innere Angelegenheit der IGGÖ. Laien dürfen von der Seelsorge nicht automatisch ausgeschlossen werden.

Auch unabhängige Experten haben inzwischen schwerwiegende Bedenken gegen den Entwurf geäußert. Vieles sei nicht ausgereift. Dieser Meinung schließen wir uns an, denn abgesehen von den bereits geäußerten Bedenken werfen die verpflichtende Umwandlung von Vereinen zu Kultusgemeinden und die Behandlung der kleineren Vereine viele Fragen auf.

Dabei wäre schließlich auch ein prinzipielles Erfordernis zu berücksichtigen, mit dem sich spätere Probleme vermeiden ließen: Es braucht unbedingt eine eigenes Gesetz für die Islamische Glaubensgemeinschaft und für die Aleviten. So wie es auch kein „Christengesetz“ gibt, können dermaßen unterschiedliche Religionen nicht in ein Gesetz gepresst werden. Daher sollen unbedingt zwei Gesetze verabschiedet werden: Für Muslime und für Aleviten.

Daher steht zu hoffen, dass die involvierten Personen, Entscheidungs- und Verantwortungsträger, in einer so zukunftsweisenden Angelegenheit sich die nötige Zeit geben, um grundlegend den Entwurf zu überarbeiten.

Wien, 04. November 2014

Dipl.- Ing. Tarafa Baghajati, Obmann

Dipl.- Ing. Mouddar Khouja, Generalsekretär

Weitere Information
Schlagworte