"Uns eint, dass wir Frauen sind"
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Im Projekt Fatima werden junge Musliminnen in Österreich für Beruf und Arbeitsmarkt trainiert - Aber auch Männer sollen miterzogen werden
Wien – Saime Öztürk ist 22 Jahre und studiert Geschichte und Germanistik in Wien. Sie strebt nach Erfolg im Beruf und will den eines Tages mit einer eigenen Familie in Einklang bringen. Man würde diese Ziele wohl als jene einer modernen Frau bezeichnen. Dass ihr Glaube – Saime Öztürk ist Muslimin – dazu im Widerspruch steht, ist ein "überholtes Vorurteil", sagt Carla Amima Baghajati von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGIÖ). "Gerade bei der zweiten Generation zeichnet sich seit Jahren ein Trend ab: Der Partizipationsgedanke im Bereich Bildung und Beruf scheint zu greifen. Die Mädchen erkennen, dass Bildung der Schlüssel ist. MuslimInnen wollen aus der unteren Schicht in die Mittelschicht aufsteigen."
Die IGGIÖ schätzt, dass in Österreich rund 420.000 MuslimInnen leben. Bei der jüngsten Volkszählung im Jahr 2001 wurden 338.998 MuslimInnen in Österreich registriert. Ihr Bevölkerungsanteil wuchs von zwei Prozent im Jahr 1991 auf 4,2 Prozent im Jahr 2001.
Saime Öztürk engagiert sich seit der Gründung 2005 für das Projekt Fatima – eine Qualifikationsoffensive für junge Musliminnen. Mehr als ein halbes Jahr lang werden die Mädchen dabei im Rahmen von Seminaren und Workshops in den Bereichen Kommunikation, Präsentation, Projektmanagement und Teamfähigkeit geschult. Mittlerweile sind es 22 Teilnehmerinnen, viele unter ihnen studieren, andere sind bereits berufstätig – gemeinsam ist ihnen der muslimische Glaube und ein Ziel: Das Bild, das über muslimische Frauen in der Gesellschaft herrscht, zu ändern.
"Die erste Generation hatte noch mit Sprachbarrieren zu kämpfen, deshalb haben sie sich schwer getan, sich zu öffnen", sagt Öztürk. Ihre Eltern leben seit den Achtziger Jahren in Österreich, sie fühlen sich wie ÖsterreicherInnen, so auch ihre beiden Töchter. "Das traditionelle Bild weicht zurück, unserer Eltern wollen, dass es uns einmal besser geht, Bildung spielt dabei eine große Rolle."
Die 22-Jährige rückt ihr Kopftuch zurecht, das farblich zu ihrem Outfit passt. Sie habe mehr als 50 Stück davon im Schrank, erzählt sie. Früher habe sie das Tuch nicht getragen, erst mit 18 Jahren habe sie sich dazu entschieden: "Ich hatte nie Probleme deshalb, manchmal sprechen mich Leute darauf an, fragen mich, warum ich das trage. Meistens antworte ich: Weil es mir gefällt." Die Mädchen, die sich bei Fatima engagieren, werden als Multiplikatoren und Aktivistinnen verstanden, sollen andere motivieren, ihrem Beispiel zu folgen.
Männer miterziehen
Das Projekt soll aber auch Männer erziehen: "Wenn man einen Mann erzieht, erzieht man eine Person, wenn man eine Frau erzieht, dann mit ihr eine ganze Gesellschaft", zitiert die Studentin und appelliert an den Zusammenhalt unter Frauen: "Österreicherinnen und Musliminnen sollten mehr zusammenhalten – uns eint, dass wir Frauen sind, und eigentlich wollen wir doch alle dasselbe: Partizipation in der Gesellschaft."
Seinen Abschluss fand das Projekt Fatima 08 am Freitag, bei einem Fest im Technischen Museum. Unterstützer aus Wirtschaft und Politik ehrten das Engagement der Mädchen – und das Integrationsprojekt wird fortgesetzt.
(Doris Nentwich/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22.6.2008)