"Bomben auf Schulen und Moscheen nicht zu rechtfertigen"
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Interview mit Omar Al Rawi über den Krieg in Nahost. Ja zu Existenzrecht Israels, aber harte Kritik an Offensive.
"Wiener Zeitung": Im Gelobten Land herrscht wieder Krieg zwischen Israel und den Palästinensern in Gaza – auch ein Krieg gegen den Islam?
Omar Al Rawi: Nein, sicher nicht, das ist ein politischer Konflikt. Und die Islamische Glaubensgemeinschaft legt großen Wert darauf, dass der Nahostkonflikt nicht zu einem religiösen Konflikt zwischen Islam und Judentum wird.
Für Israel, die USA und die EU ist Hamas eine Terrororganisation, was ist Hamas für Sie?
Ich weigere mich, diesen Konflikt nur über die Rolle der Hamas zu definieren; das ist genau das, was uns die Israelis einreden wollen, nämlich dass sie nicht die Zivilisten im Gaza-Streifen angreifen, sondern lediglich die Hamas. Dadurch entsteht eine Teilrechtfertigung für die israelischen Bombardements. Auch zu behaupten, die Proteste gegen die israelischen Angriffe seien Demonstrationen für die Hamas, ist eine unzulässige Behauptung.
Hat Israel nicht das Recht, sich gegen die Raketen der Hamas zu wehren?
Das ist eine sehr verkürzte Darstellung der jetzigen Situation – der Nahostkonflikt ist mindestens 60 Jahre alt und man kann die Geschichtsschreibung nicht immer an einem neuen Punkt beginnen lassen. Vor den Raketen gab es die Blockade Gazas durch Israel, durch die Hunderte starben. Jetzt haben sich die Menschen in Gaza offensichtlich entschieden, laut anstatt nur leise zu sterben.
Warum verurteilen Sie nicht eindeutig die Hamas-Raketen auf israelische Zivilisten?
Das tue ich, jede Religion verurteilt das Töten Unschuldiger. Und trotzdem sind in diesem asymmetrischen Krieg unsere Sympathien eindeutig auf Seiten der Palästinenser. Bomben auf Schulen, Moscheen und Universitäten, wie es in Gaza passiert, sind nicht zu rechtfertigen. Ein Drittel der Toten sind Kinder.
Anas Schakfeh, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, verharmloste kürzlich in einem Interview die Forderung der Hamas nach einer Auslöschung Israels als "Utopie", die Nichtanerkennung sei eine "Trumpfkarte" im Nahostkonflikt. Ist das auch Ihre Meinung?
Schakfeh wollte nicht verharmlosen, sondern versuchte die palästinensische Sichtweise zu erklären. Auch in der Charta der PLO stand bis zur Unterzeichnung des Osloer Friedensvertrags von 1992 die Nichtanerkennung Israels als Programm. Ich halte die Verbannung der Hamas vom Verhandlungstisch, wenn diese die Existenz Israels nicht anerkenne, für einen Fehler – bei der PLO hat man es auch anders gemacht.
Und hat Israel jetzt ein Existenzrecht aus muslimischer Sicht?
Diese Frage wurde mit dem Friedensplan des saudischen Königs Abdullah klar beantwortet, als sich sämtliche arabischen Staaten für einen Frieden bei Errichtung eines Palästinenser-Staates in den Grenzen von 1967 inklusive Ost-Jerusalem ausgesprochen haben.
Also Ja zu einem politischen Existenzrecht Israels?
Ja, es ist Fakt, dass Israel existiert. Aber viele Muslime können keine moralische Legitimation Israels akzeptieren, die auf Verbrechen – dem Holocaust – beruht, die sie selbst nicht begangen haben. Es ist aber eigenartig: Alle reden vom Existenzrecht Israels, aber keiner vom Existenzrecht Palästinas.
Wie ist die Stimmung unter den Muslimen in Österreich?
Es herrscht Wut und Verzweiflung über die Situation, die Umkehrseite ist große Hilfsbereitschaft.
Besteht die Gefahr einer Radikalisierung?
Nein, zumindest nicht im religiösen Sinne – viele Teilnehmer an Demonstrationen sind säkular oder national gesinnt. Und wir achten, dass niemand gegen Juden hetzt – auch Hamas-Fahnen sind nicht erlaubt.
In den letzten Jahren gab es viele gemeinsame Auftritte der Religionsvertreter – warum nicht jetzt, zumindest einen gemeinsamen jüdisch-islamischen Friedensappell?
Ich weiß nicht, warum es dazu noch nicht gekommen ist – die Weihnachtszeit ist vielleicht eine zu billige Ausrede. Es wurde eben von keiner der beiden Seite eine Initiative gesetzt.
Das könnten Sie ja ändern.
Ich werde das Präsident Schakfeh vorschlagen, aber wahrscheinlich sind die Emotionen auf beiden Seiten dafür noch zu groß.
Printausgabe vom Donnerstag, 08. Jänner 2009