Die fünf Dimensionen des Karikaturenstreits

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Tuesday, 7 February, 2006
Die fünf Dimensionen des Karikaturenstreits

Religions- und Pressefreiheit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Es ist unbestritten, dass die dänische Karikatur-Affäre die Beziehungen zwischen der westlichen und islamischen Welt auf eine neue Probe gestellt hat. Große Worte wie Pressefreiheit versus Religionsfreiheit, offene Gesellschaft versus Despotismus, westliche versus islamische Welt sind nur einige Beispiele, mit denen wir es zu tun hatten. Dabei ist dieser Konflikt fünf Monate alt und hatte mehrere Dimensionen, die in Summe die Situation eskalieren ließen:

Bilderverbot:

Der Hintergrund dieses Verbotes liegt in der präislamischen heidnischen Gesellschaft, als die mekkanischen Götzendiener Statuen und Bilder als Götter verehrten. Daher beschränkte sich die islamische Gemeinde auf abstrakte Kunst und Kalligrafie. Als Konsens blieb erhalten, dass weder der Prophet Muhammad noch seine Gefährten und Nachfolger bildlich dargestellt wurden. Die Liebe und der Respekt waren zu groß, um eine Spekulation über das Aussehen zuzulassen, und der monotheistische Glaube an den einzigen transzendenten Gott, dem nichts gleich ist, sollte auch im Mittelpunkt der Anbetung stehen und bleiben.

Herabwürdigung:

Nun wünschen sich Muslime, dass man sich an dieses Verbot hält, wissen aber, dass ihre religiösen Regeln für Nichtmuslime nicht verpflichtend sind. Doch hier war das Problem, dass die Karikaturen herabwürdigend und verletzend waren und sich Klischees bedienten. Wenn man bedenkt, dass die Ursprungsidee, ein Kinderbuch für dänische Kinder, das ihnen den Islam näher bringen soll, ein solches Bild des Propheten liefert, ist das doppelt problematisch. Den Propheten mit Terroristen und tickenden Bomben in Verbindung zu bringen, war für die Muslime zutiefst beleidigend.

Bewusste Provokation:

Ein Spruch des Propheten, der auch als Glaubensgrundlage gilt, lautet, dass die Taten immer nach der Intention beurteilt werden - die dritte Dimension des Konflikts. Die Zeitung Jyllands-Posten handelte nach dem Motto: "Testen wir doch die Muslime und ihre Loyalität zum Staat und zur Gesellschaft durch gezielte Provokation. Und sehen wir nach, ob sie den Mund halten." Im Übrigen eine beunruhigende Tendenz in Europa. Erst kürzlich beschloss das Land Baden-Württemberg mit dem so genannten "Fragebogen" einen Einbürgerungstest für Muslime. Auch dort wird mit provokativen Fragen, die nur muslimische Einbürgerungswillige über sich ergehen lassen müssen, die Loyalität geprüft. Die Zeitung wollte bewusst provozieren, und es ist ihr gelungen. Und zwar weltweit.

Das dänische Umfeld:

Bascha Mika sagt in der "taz", dass es gute Gründe gibt, manche der Karikaturen als geschmacklos zu bewerten. Aber vor allem sind sie angesichts der aktuellen politischen Situation in Dänemark ein Statement der Mehrheitsgesellschaft gegenüber der muslimischen Minderheit im Land, das durchaus als rassistisch zu interpretieren ist. Wie kaum ein anderes europäisches Land fährt Dänemark in den letzten Jahren einen harten Kurs gegen Einwanderer, vorneweg der Ministerpräsident, der damit zwei Wahlen gewann. Unter der liberalen Oberfläche ist die Ausländerfeindlichkeit in Dänemark keine neue Erscheinung, viele haben vergessen, dass schon 1993 die Regierung Poul Schlüters wegen der so genannten Tamilenaffäre zurücktreten musste. Die seit 1982 amtierende konservative Regierung hatte die Rechte tamilischer Flüchtlinge zur Familienzusammenführung verletzt. Seither nimmt die Ausländerfrage einen zentralen Platz in der Politik Dänemarks ein.

Miserables Krisen-Management:

Als die dänischen Muslime über die Karikaturen empört waren, weigerte sich Ministerpräsident Rasmussen lange, die Botschafter elf muslimischer Länder zu empfangen, weil die Meinungsfreiheit unantastbar sei, und er sprach sogar von "notwendiger Provokation". Viele nahmen ihm dies nicht ab und dachten an eine Schutzbehauptung, die es Rasmussen ersparte, die rechtspopulistische dänische Volkspartei, auf deren Stimmen er im Parlament angewiesen war, zu kritisieren. Wären seine kalmierenden Worte und Feststellungen früher passiert und hätte er die Botschafter bereits im Oktober getroffen, wäre die Affäre eine lokale geblieben.
Mittlerweile hat es sich wie ein Flächenbrand in der islamischen Welt verbreitet. Zu den anfangs auf Demonstrationen und Boykott von dänischen Produkten beschränkten Protesten ist leider auch Gewalt dazugekommen. Gebäude brennen und Europäer werden bedroht. Die dänischen und europäischen Muslime haben die Worte des Bedauerns akzeptiert, jedoch zeigt sich, dass die Empörung in der islamischen Welt nicht auf Knopfdruck zu stoppen ist. Es wäre auch fatal, hinter den Reaktionen nur "Islamisten" oder radikale "Fundamentalisten" zu vermuten. Allein die Besetzung des EU-Büros in Gaza durch die al-Aksa-Brigaden, den militärischen Arm der säkularen Fatah, zeigt, dass hier auch nicht streng oder gar nicht religiöse Menschen mobilisierbar waren.

Es wären alle gut beraten, sich um eine Deeskalation zu bemühen. Vor allem sollte man aus dieser Sache lernen und rechtzeitig den Dialog und die Einbindung von Betroffenen suchen. Pressefreiheit versus Religionsfreiheit sollte nicht im Kontext "entweder-oder", sondern unter der Prämisse "sowohl als auch" behandelt werden. Gegenseitiger Respekt, Rücksichtnahme und mehr Fingerspitzengefühl und vor allem vermeiden, was unnötig verletzt, wären das Gebot der Stunde.

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